Einzig die Datenschutzbehörde aus NRW hält an den Regelungen von § 28 BDSG fest.
Sind Adresshandel und Datenschutz noch vereinbar?
Einführung
An wen verschicken Sie Ihre Werbemailings, wenn Sie entweder noch gar keine Kundenadressen haben oder Ihren Kundenkreis erweitern wollen?
Sie kaufen sich einfach Empfängeradressen und wandeln, wenn das Werbemailing erfolgreich war, die gekauften Adressen in konkrete Kundenadressen um.
Genau diese Möglichkeit des Adresskaufs und damit der Kundengewinnung steht gerade auf der Kippe. Obwohl es weit verbreitete Geschäftspraxis ist und bislang unter der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auch als allgemein zulässig gilt, sprachen sich kürzlich einige Datenschutzbeauftragte der Länder dagegen aus.
Ist das das Aus des Adresshandels und somit das des Direktmarketings?
Was bedeutet Adresshandel?
Adresshandel bezeichnet den An- und Verkauf von Postadressen deutscher Haushalte und ist damit wichtiger Teil des Direktmarketings von Unternehmen. Adressagenturen stellen möglichst aktuelle Adressdaten zusammen, aus denen sich Unternehmen passgenau ihre Zielgruppe herausfiltern können. An diese Adressen verschicken sie dann maßgeschneiderte Werbung wie z.B. Flugblätter, um im Idealfall die Empfänger zu neuen Kunden zu machen. Es ist quasi die analoge Version von individualisierten Werbeanzeigen im Internet, welche anhand von Analysen des Nutzerverhaltens geschaltet werden.
Ist Adresshandel mit der DS-GVO und dem BDSG vereinbar?
Bislang galt der Adresshandel unter der DS-GVO und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) deshalb als allgemein zulässig, da hierfür berechtigte Geschäftsinteressen der Unternehmen (Erweiterung des Kundenstammes) vorliegen, die die individuellen Einwilligungen der Betroffenen entbehrlich machen. Geregelt ist dies in § 28 BDSG.
Der Großteil der Datenschutzbehörden der Länder spricht sich nun aber gegen eine allgemeine Zulässigkeit aus und verlangt eine vorherige freiwillige Einwilligung der betroffenen Personen, bevor deren Adressen an Unternehmen verkauft werden. Die Geschäftsinteressen der ankaufenden Unternehmen reichen ihrer Ansicht nach nicht aus und würden den Schutz der persönlichen Daten der Betroffenen nicht überwiegen. Das liegt unter anderem daran, dass Privatpersonen Direktwerbung als Folge des Adresshandels eher als störend empfinden und sich oftmals fragen, woher die werbenden Unternehmen ihre Adressen überhaupt haben.
Setzen sich die Datenschützer durch, bedeutet das für die Praxis, dass der Adresshandel in der derzeitigen Form kaum noch stattfinden kann, da die Einholung einer vorherigen Einwilligung nahezu unmöglich wäre. Denn:
- Privatpersonen würden dem Verkauf ihrer Adressen auf Nachfrage der Adresshändler wohl eher selten zustimmen.
- Auch wenn Privatpersonen ihre Adressdaten im Rahmen eines Geschäftsabschlusses im Internet für den Verkäufer bereitstellen, folgt daraus nicht, dass sie auch der Verwendung ihrer Adresse durch andere Unternehmen zustimmen.
Einzig die Datenschutzbehörde aus NRW schließt sich dieser Ansicht der Datenschutzbeauftragten der Länder nicht an. Sie hält die derzeitige Praxis des Adresshandels für zulässig und die Bedenken für unbegründet. Dieser Meinung folgt auch der Deutsche Dialogmarketingverband (DDV), welcher die Auffassung der Datenschutzbeauftragten der übrigen Länder nur für eine von vielen möglichen Rechtsmeinungen hält.
Wie geht es nun weiter?
Der Adresshandel soll nach Angaben der Berliner Datenschutzbehörde auch Thema der nächsten bundesweiten Datenschutzkonferenz (DSK) im November 2022 werden. Wir müssen abwarten, ob und mit welchem Inhalt die DSK einen Beschluss in Bezug auf den Adresshandel erlassen wird. Bis dahin bleibt alles beim Alten und Unternehmen können ihr derzeitiges Direktmarketing problemlos weiterführen.
Was passiert jedoch, wenn die DSK einen ablehnenden Beschluss erlassen sollte? Können die bisher gekauften Adressen noch weiterverwendet werden?
Die Antworten auf diese Fragen sind noch ungewiss und können derzeit noch nicht abschließend getroffen werden. Zwar sind die Beschlüsse der DSK rechtlich nicht bindend, aber sie haben maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Datenschutzrechts in Deutschland und sollten deshalb auch genauestens verfolgt werden. Verbindliche Änderungen treten dann erst mit möglichen Anpassungen der DS-GVO und des BDSG ein.
Fazit
Die Bedenken der Datenschutzbeauftragten sagen erst einmal nichts über die Zulässigkeit des Adresshandels aus. Dieser ist nach der derzeitigen Rechtslage mit dem Datenschutzrecht vereinbar und wird auch nicht automatisch durch einen möglichen Beschluss der DSK unzulässig.
Dennoch heißt es abwarten, wie sich die Vereinbarkeit von Datenschutz und Adresshandel weiterentwickelt. Ob sich die DSK in Zukunft konkret gegen den Adresshandel aussprechen wird und wie sich dies auf die Rechtslage auswirkt, wird noch spannend. Vor allen Dingen für Adresshändler und für (junge) Unternehmen, die zu Werbezwecken Adressdaten kaufen.
Haben Sie hierzu noch gezielte Fragen? Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartnerin: RAin Lena Wassermann