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Wir erläutern, was unter Bestandsdatenauskunft zu verstehen ist und in welchem Verhältnis sie zu den Grundrechten steht.

BVerfG: Regelungen zur Bestandsdatenauskunft gehen noch immer zu weit

Einleitung

Nach einigen Jahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sich erneut mit der Bestandsdatenauskunft auseinandergesetzt. Grund dafür waren zwei Verfassungsbeschwerden, wobei eine der Verfassungsbeschwerden 2013 von einem heutigen Piraten-Europapolitiker und einer seiner ehemaligen Parteikolleginnen eingelegt und von etwas mehr als 6.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wurde. Die Beschwerde-führer kritisierten insbesondere, dass Sicherheitsbehörden aufgrund der geltenden Gesetzeslage ohne große Hürden personenbezogene Daten einsehen könnten und sie deswegen in ihren Grundrechten verletzt seien.

Nachdem die Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bereits 2012 nach einem Beschluss des BVerfG (Beschl. v. 24.01.2012, Az. 1 BvR 1299/05, „Bestandsdatenauskunft I“) abgeändert wurden, stehen sie nun wieder im Visier des Karlsruher Gerichts. Erst kürzlich hat das BVerfG erneut darüber entschieden, ob sie mit der Verfassung vereinbar sind oder sie einer erneuten Änderung bedürfen.

Bestandsdatenauskunft und ihre rechtliche Grundlage

Als Bestandsdaten werden gem. § 3 Nr. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) solche personenbezogenen Daten bezeichnet, die im Rahmen eines Telekommunikationsvertrages zu dessen Begründung, inhaltlicher Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung erhoben werden. Dazu zählen bspw. der Name, die Adresse, die Telefonnummer oder auch Passwörter und IP-Adressen der Kunden. Bestimmte gesetzliche Regelungen befugen nun Sicherheitsbehörden, von den Telekommunikationsunternehmen Auskunft über diese Kundendaten zu erlangen (sog. Bestandsdatenauskunft). Dabei geht es insbesondere um die Auskunft über den Anschlussinhaber eines Telefonanschlusses oder einer bestimmten IP-Adresse. Sofern die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, sind die Telekommunikationsanbieter zur Auskunft verpflichtet. Dies betrifft jedoch nicht die sog. Verkehrsdaten, welche sich auf die Nutzung des Telekommunikationsdienstes oder deren Inhalt beziehen, sondern ausschließlich die Bestandsdaten der Kunden.

Als gesetzliche Grundlage für die Bestandsdatenauskunft dient insbesondere der § 113 TKG. Danach dürfen Sicherheitsbehörden die jeweiligen Bestandsdaten anfordern, wenn dies im Einzelfall der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben der Behörden dient. Die in § 113 TKG berechtigten Behörden sind bspw. die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt oder auch Nachrichtendienste.

Entscheidung des BVerfG 

In seinem neusten Beschluss (Beschl. v. 27.05.2020, Az. 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13, „Bestandsdatenauskunft II“) entschied das BVerfG erneut für die Kläger und begründete seine Entscheidung damit, dass § 113 TKG keine ausreichende und verhältnismäßige Rechtsgrundlage für die Bestandsdatenauskunft darstelle. Dies liege daran, dass die Norm zu weit und unbestimmt gefasst sei. Die Eingriffsschwellen für die Sicherheitsbehörden seien zu niedrig, sodass die derzeitige Fassung des § 113 TKG gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen das Telekommunikationsgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG verstoße. Nach Auffassung des Gerichts seien neben dem § 113 TKG auch andere Bundesgesetze verfassungswidrig, die maßgeblich die Bestandsdatenauskunft betreffen.

Die Karlsruher Richter verlangten, dass der Gesetzgeber sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten an die Behörden als auch für dessen Abruf durch die Behörden eine verhältnismäßige Rechtsgrundlage ausarbeite. Diese müsste dann eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten beinhalten. Davon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn tatbestandliche Eingriffsschwellen und ein hinreichend gewichtiger Rechtsgüterschutz in den jeweiligen Normen vorgesehen würden. Das BVerfG betonte zudem, dass eine Bestandsdatenauskunft nicht per se verfassungswidrig sei, sondern nur die derzeitige gesetzliche Grundlage.

Folge der Entscheidung ist, dass § 113 TKG und andere Bundesgesetze, die die Bestandsdatenauskunft betreffen, abgeändert werden müssen, um den Grundrechten der Betroffenen gerecht zu werden und sie nicht in unverhältnismäßiger Weise zu verletzen. Dies soll nun bis spätestens Ende 2021 geschehen. In der Übergangszeit könne § 113 TKG jedoch weiterhin eine Bestandsdatenauskunft legitimieren, sofern die jeweilige Auskunft zur Abwehr einer konkreten Gefahr erforderlich oder bezüglich der Nachrichtendienste zur Aufklärung im Einzelfall geboten sei oder wenn für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zumindest ein Anfangsverdacht bestehe, so das BVerfG.

Fazit

Die Änderung der Vorschriften zur Bestandsdatenauskunft in 2012 waren nach Ansicht des BVerfG nicht ausreichend. Die Rechtsgrundlagen, insbesondere § 113 TKG, seien derzeit immer noch zu unbestimmt und würden die Betroffenen in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 2 Abs.1 i.V.m Art 1 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 GG) verletzen.

Als Folge des Urteils wird nun eine weitere Änderung der Vorschriften über die Bestandsdatenauskunft erwartet. Für die Reformierung der Gesetze hat der Gesetzgeber nun bis zum 31.12.2021 Zeit. In der Zwischenzeit findet § 113 TKG jedoch weiterhin mit gewissen Einschränkungen Anwendung.

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