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Wir erklären, welche Preisbestandteile bereits vor der Flugbuchung im Endpreis enthalten sein müssen.

EuGH: Fluggesellschaften sind zu transparenten Preisangaben verpflichtet

Einleitung

Oftmals treffen Verbraucher auf sehr günstige Flugpreise, um dann im Nachhinein festzustellen, dass zu den vermeintlich sehr günstigen Preisen noch erhebliche Kosten dazukommen und der tatsächliche Endpreis sehr von dem zunächst angegebenen Preis abweicht. Im Rahmen des Verbraucherschutzes muss die Preisgestaltung transparent sein, um stark beschönigte Flugpreise zu verhindern.

Grundlage dieses Artikels ist ein langjähriger Rechtsstreit zwischen einer irischen Billigfluggesellschaft und der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde. Letztere war bereits 2011 der Ansicht, dass die Preisangaben des Luftfahrtunternehmens nicht transparent seien, sodass mehrere Bußgelder verhängt wurden. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde fehlte bei den Preisangaben eine Auflistung und Nennung von Check-in Kosten, der Mehrwertsteuer sowohl für Inlandsflüge als auch für fakultative Zusatzleistungen, sowie Gebühren für Kreditkartenzahlungen mit einer anderen als der von der Fluggesellschaft bevorzugten Kreditkarte. Die Fluggesellschaft klagte schließlich vor den italienischen Verwaltungsgerichten. Sie sah in den bereits benannten Kosten fakultative Zusatzkosten, die nicht von vornherein angegeben werden müssten.

Das italienische Verwaltungsgericht gab der Aufsichtsbehörde Recht, sodass das Luftfahrtunternehmen Rechtsmittel einlegte und der Fall zum italienischen Staatsrat ging. Dieser rief nun den EuGH an, um eine Auslegung des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 (Verordnung über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft) zu erlangen. Es ging um die Klärung der Frage, ob die betreffenden Preisbestandteile bei einer Preisangabe noch vor der Buchung angegeben werden müssen.

Obligatorische oder fakultative Kosten?

Gem. Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 müssen der Öffentlichkeit zugängliche Flugpreise stets den Endpreis sowie alle anfallenden unvermeidbaren Zusatzkosten wie Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte enthalten. Es ist zwischen obligatorischen und fakultativen Kosten zu unterscheiden.

Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es nun gezielt darauf an, ob die betreffenden Preisbestandteile obligatorisch sind, sodass sie bei der Veröffentlichung des Endpreises mitangegeben werden müssen, oder ob sie fakultativ im Sinne der Verordnung sind. Wenn letzteres der Fall ist, müssen die Kostenbestandteile erst zu Beginn des jeweiligen Buchungsvorgangs offengelegt werden.

Obligatorische Kosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 sind solche, die unvermeidbar und von vornherein vorhersehbar sind. Demgegenüber sind fakultative Kosten nach Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung Nr. 1008/2008 optionale Kosten für eventuelle Zusatzleistungen, die von den jeweiligen Kunden auf opt-in-Basis hinzubuchbar sind. Der EuGH ergänzt, dass dies vor allem Dienste sind, die für die Beförderung der Fluggäste weder zwingend noch unerlässlich sind, sodass der Kunde die Wahl hat, diese anzunehmen oder abzulehnen. 

Entscheidung des EuGH (Urt. v. 23.04.2020 – Az. C-28/19)

Nach Ansicht des EuGH ist nicht direkt davon auszugehen, dass Check-in Kosten als unvermeidbar und obligatorisch einzustufen sind, nur weil ein Check-in an sich unumgänglich ist. Es müsse den Luftfahrtunternehmen überlassen werden, ob sie den Fluggästen mehrere, ggf. kostenlose und kostenpflichte Arten des Check-ins zur Verfügung stellen. Sofern eine Fluggesellschaft neben einem kostenpflichten Check-in auch einen gebührenfreien Check-in anbiete, seien die Check-in Kosten keine obligatorischen Kosten, sondern nur fakultative Zusatzkosten. Dies liege daran, dass der Verbraucher dann selbst entscheiden könne, welche Art des Check-ins er wählt. Check-in Gebühren seien nur dann obligatorisch, wenn alle angebotenen Arten des Check-ins für den Verbraucher kostenpflichtig sind. In diesem Fall müsse der Verbraucher stets Gebühren für den Check-in entrichten, sodass die Kosten als unvermeidbar und vorhersehbar im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 anzusehen seien.

Der EuGH beruft sich bezüglich der Mehrwertsteuer für Inlandsflüge darauf, dass Steuern explizit in Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 als obligatorische Kosten genannt sind, sodass sie stets als unvermeidbar und vorhersehbar anzusehen sind. Die für Inlandsflüge anfallende Mehrwertsteuer würde anhand von nationalen Vorschriften erhoben und automatisch bei jedem Buchungsvorgang eines Inlandsfluges berechnet werden. Demnach müsse sie im bereits vor dem Buchungsvorgang veröffentlichten Endpreis enthalten sein.

Letzteres gelte jedoch nicht für die Mehrwertsteuer für jegliche Leistungen. Nach Ansicht des EuGH ist danach zu differenzieren, wofür die Mehrwertsteuer erhoben wird. Die Mehrwertsteuer für fakultative Zusatzleistungen sei gerade kein obligatorischer Preisbestandteil, weil sie nicht vorhersehbar sei. Es sei nicht von vornherein klar, welche Zusatzleistungen der Kunde buchen möchte und dementsprechend auch nicht, in welcher Höhe die Mehrwertsteuer ausfalle. Die jeweiligen Steuern würden folglich untrennbar mit der Buchung der jeweiligen Zusatzleistungen zusammenhängen und würden deswegen nur fakultative Zusatzkosten darstellen (Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung Nr. 1008/2008). Die jeweils anfallende Mehrwertsteuer müsse sodann erst nach Auswahl der jeweiligen Zusatzleistungen angegeben werden.

Zuletzt ging es um die anfallenden Gebühren, wenn mit einer anderen, als der von dem Luftfahrtunternehmen bevorzugten Kreditkarte gezahlt wird. Nach Ansicht des EuGH stellen diese Gebühren vorhersehbare Kosten dar, weil sie lediglich auf die Politik der Fluggesellschaft in Hinblick auf die Zahlungsweise selbst zurückzuführen sind. Diese Verwaltungsgebühren wären für den Verbraucher vermeidbar, wenn er die bevorzugte Kreditkarte zur Zahlung verwende. Solche Zusatzkosten könnten jedoch nicht gleich als fakultativ anzusehen sein, wenn die Wahl, die dem Verbraucher geboten wird, von einer von der Fluggesellschaft vorgegebenen Bedingung abhänge und die Leistung nur für einen bestimmten Kreis privilegierter Verbraucher gebührenfrei sei und für die anderen Verbraucher stets zusätzliche Kosten anfallen würden. Daraus folgt laut EuGH, dass die Gebühren „fremder“ Kreditkarten auch als unvermeidbar einzustufen sind und sie deshalb einen obligatorischen Preisbestandteil im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 darstellen.

Fazit

Es ist festzuhalten, dass nach Auffassung des EuGH die Check-in Gebühren, sofern es keine kostenfreie Möglichkeit für den Check-in gibt, sowie die Mehrwertsteuer für Inlandsflüge und Verwaltungsgebühren für Kreditkartenzahlungen mit einer anderen als von der Fluggesellschaft bevorzugten Kreditkarte, als obligatorische Kosten im Sinne der Verordnung anzusehen sind. Diese Kosten müssten im Rahmen einer Flugbuchung übers Internet direkt im angezeigten Endpreis enthalten sein. Demgegenüber seien Check-in Kosten, sofern auch eine kostenlose Möglichkeit des Check-ins zur Verfügung stehe, sowie die Mehrwertsteuer auf optionale Zusatzleistungen fakultative Preisbestandteile. Diese Kostenbestandteile müssten folglich erst am Anfang des Buchungsvorgangs offengelegt werden.

Die Luxemburger Richter verlangen nun eine verstärkte Transparenz von Flugpreisen, um dem Verbraucherschutz gerecht zu werden. Es sollen stark beschönigte Preisangaben in Zukunft verhindert werden.

Der EuGH hat mit seinem Urteil nur auf Antrag des italienischen Gerichts die EU-Verordnung ausgelegt, um europarechtliche Rechtsfragen vorab zu klären. Mit dem Urteil wurde nicht der Rechtsstreit entschieden. Dies obliegt nun den italienischen Verwaltungsgerichten. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die italienischen Gerichte an dem Urteil des EuGH orientieren und ähnlich entscheiden werden.

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