
Fehlzeiten und variable Vergütung
Einführung
Arbeitgeber nutzen vermehrt die Möglichkeit der Vereinbarung variabler Vergütungsbestandteile mit ihren Mitarbeitern. Der Arbeitnehmer erhält in diesen Fällen neben seinem Grundgehalt einen zusätzlichen Vergütungsanspruch. Dieser kann von der entsprechenden Leistung des Arbeitnehmers oder auch vom Umsatz des Unternehmens abhängig gemacht werden. Die Ausgestaltung bestimmt sich dabei nach dem jeweiligen Arbeitsumfeld. Im Arbeitsvertrag werden die jeweiligen Regeln dann idealerweise auch schriftlich festgehalten. Doch auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen finden sich Regelungen über die variable Vergütung wieder.
Die Höhe der variablen Vergütung ist von der jeweiligen Vereinbarung abhängig. Zulässig ist es, dass diese einen Großteil des Grundgehalts ausmacht. Voraussetzung ist lediglich, dass der Mindestlohn nicht unterschritten wird und das wirtschaftliche Risiko des Unternehmers nicht in nicht vertretbarer Weise auf den Arbeitnehmer übertragen wird.
In der Praxis kommt es häufig zum Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien bezüglich der Zahlung der variablen Vergütung. Insbesondere stellt sich die Frage, wie sich Fehlzeiten des Arbeitnehmers auf die variable Vergütung auswirken.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit arbeitgeberfreundlichen Entscheidungen
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf befasste sich im April und Mai 2024 (Aktenzeichen: 3 SLa 14/24) gleich zweimal kurz hintereinander mit der Frage, ob Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers auch im Fall der Abwesenheit des Arbeitnehmers entstehen können. In einem Fall begehrte der klagende Arbeitnehmer Zahlung einer variablen Vergütung trotz krankheitsbedingter Abwesenheit von 191 Tagen. Abgezogen wurde davon der sechswöchige Zeitraum der Entgeltfortzahlung. Im zweiten Fall begehrte der Kläger ebenfalls Zahlung der variablen Vergütung trotz zweimonatiger Elternzeit. Beiden Fällen lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde. Die variable Vergütung war jeweils nur mittelbar auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zurückzuführen und machte 40% vom Gesamtgehalt aus.
Das LAG wies die geltend gemachten Zahlungsansprüche der klagenden Arbeitnehmer zurück. Diese vom LAG vertretene Ansicht steht im Widerspruch zu einer Reihe von Entscheidungen der Arbeitsgerichte, bei denen dem Arbeitnehmer ein solcher Anspruch trotz Fehlzeiten zugesprochen wurde, sofern die arbeitsvertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Auswirkungen von Fehlzeiten des Arbeitnehmers auf die Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers nicht im Detail ausgestaltet war.
Das LAG Düsseldorf begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem arbeitsrechtlichen Grundsatz „Kein Lohn Ohne Arbeit“. Ein Arbeitsverhältnis ist ein gegenseitiger Vertrag, bei dem die Leistungen der Parteien von der jeweiligen Mitwirkung abhängig sind. Bei unterbliebener Arbeitsleistung kann ein Fall von Unmöglichkeit gem. § 275 BGB vorliegen, sodass bei Fehlzeiten gem. § 326 Abs.1 BGB kein Vergütungsanspruch besteht. Es gibt jedoch gesetzlich geregelte Ausnahmefälle, wie beispielsweise der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG.
Dieser Grundsatz gilt nicht nur für das feste Grundgehalt, sondern auch für Ansprüche aus einer variablen Vergütung. Auch diese steht im Synallagma zur Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer, sofern keine entgegenstehende Regelung festgelegt wurde. Denn eine Sonderzahlung, die einen wesentlichen Teil der Vergütung ausmacht und an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele anknüpft, stellt regelmäßig ein Arbeitsentgelt dar, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Andere verfolgte Zwecke, insbesondere solche, die die Leistung von dem Synallagma zur Arbeitsleistung entkoppeln, müssen eindeutig arbeitsvertraglich geregelt werden. Anderenfalls bedarf es keiner Annahme, dass eine Ausnahme vom Grundsatz „Kein Lohn Ohne Arbeit“ gewollt ist. Der Anspruch auf erfolgsabhängige Vergütung entsteht während eines festgelegten Bezugszeitraums. Fehlt in diesem Zeitraum, der für die Berechnung der variablen Vergütung zugrunde gelegt wird, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, so muss dieser nicht am Erfolg beteiligt werden. Diese Folge ergibt sich von Gesetzes wegen und muss nach Ansicht des LAG daher nicht gesondert vereinbart werden. Das LAG hat in den vorliegenden Beispielsfällen daher in nachvollziehbarer Weise zugunsten der Arbeitgeberseite entschieden.
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung dieser Thematik hat das LAG Düsseldorf die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Derzeit liegt dazu noch keine Entscheidung vor.
Anwendung in der Praxis
Trotz der Entscheidung des LAG Düsseldorf empfiehlt es sich für Arbeitgeber dennoch, konkrete Regelungen im Arbeitsvertrag aufzunehmen. Dabei sollten die Auswirkungen auch auf bereits festgelegte und ggf. vom Arbeitnehmer erreichte Ziele berücksichtigt werden. Entsprechende Regelungen sollten eindeutig und klar verständlich formuliert werden, um Auslegungsproblemen vorzubeugen.
Die Unterscheidung zwischen mittelbarem und unmittelbarem Leistungsbezug der Arbeitsleistung ist ebenfalls zu berücksichtigen. Liegt bspw. ein Fall des unmittelbaren Leistungsbezugs vor und erreicht der jeweilige Arbeitnehmer seine Ziele bereits vor Eintritt der Fehlzeit, so ist der Anspruch auf variable Vergütung entstanden, ohne dass der Arbeitgeber ein Kürzungsrecht hat.
Es ist davon auszugehen, dass diese praxisrelevante Thema die deutschen Arbeitsgerichte weiter beschäftigen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden!
Bei weiteren Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
