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Wir erklären, was Gmail und ein Telekommunikationsdienst ist und warum Gmail laut Urteil OVG keiner ist.

OVG NRW: Gmail ist kein Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG

Einleitung

Zwischen der Bundesnetzagentur (BNetzA) und Google besteht bereits seit mehreren Jahren ein Rechtsstreit darüber, ob das Betreiben von Googles Webmail-Dienst „Gmail“ einen Telekommunikationsdienst im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG) darstellt und deswegen in den Anwendungsbereich des TKG fällt. Telekommunikationsdienstleister treffen diverse Pflichten aus dem TKG, die vor allem Regelungen zum Kundenschutz und Datenschutz betreffen. Beispielsweise unterliegen Telekommunikationsdienstleister nach § 98 TKG Informationspflichten bei Ortungsdiensten und gem. § 46 TKG einer Pflicht zur Sicherstellung einer ununterbrochenen Leistung auch bei einem Anbieterwechsel oder Umzug des Endnutzers. Zudem müssen Telekommunikationsdienste gem. § 6 Abs. 1 TKG bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden.

Die BNetzA hat Google 2012 in einem Bescheid dazu verpflichtet, seiner Meldepflicht aus § 6 Abs. 1 TKG nachzukommen, da Gmail aus Sicht der Behörde ein öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG sei. Demgegenüber ist Google der Ansicht, dass es sich bei Gmail nicht um einen Telekommunikationsdienst handele und es deshalb auch nicht den Pflichten des TKG unterliege. Google hat gegen den Bescheid der BNetzA vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben, die sodann als unbegründet abgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil legte Google beim Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in Münster Berufung ein.

Was ist Gmail?

Gmail, früher bekannt als Google Mail, ist ein Webmail-Dienst. Um den Dienst von Google in Anspruch nehmen zu können, müssen Nutzer ein E-Mail-Konto erstellen und bekommen sodann eine E-Mail-Adresse zugewiesen. Anschließend können sie E-Mails über das Internet versenden und empfangen. Als internetbasierter E-Mail-Dienst stellt Gmail das Internet als Kommunikationsweg bereit, bietet aber selber keinen Internetzugang an.

Was ist ein Telekommunikationsdienst?

Damit eine Meldepflicht bei der BNetzA gem. § 6 Abs. 1 TKG besteht, müsste es sich bei Gmail um einen Telekommunikationsdienst handeln. Entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits ist somit die Frage, was genau unter einem Telekommunikationsdienst zu verstehen ist. Hierbei ist auf das deutsche Recht aus dem TKG und auf die europäische Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste (im Folgenden Rahmenrichtlinie) abzustellen. Das TKG ist die deutsche Umsetzung der Rahmenrichtlinie und muss demnach mit ihr im Einklang stehen.

In § 3 Nr. 24 TKG ist der Begriff des Telekommunikationsdienstes als in der Regel gegen Entgelt erbrachte[r] [Dienst], [der] ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze besteh[t], einschließlich Übertragungsdienste[n] in Rundfunknetzen legaldefiniert. Die Definition des TKG entspricht im Wesentlichen der aus Art. 2 lit. c der Rahmenrichtlinie zu elektronischen Kommunikationsdiensten.

Für die Klassifikation als Telekommunikationsdienst ist demnach ausschlaggebend, ob der jeweilige Dienst selbst Signale über Telekommunikationsnetze übermittelt. Inwieweit Gmail Signale ganz oder überwiegend überträgt, hat das OVG nun geprüft.

Entscheidung des OVG (Urt. v. 05.02.2020, Az. 13A 17/16)

Das OVG hat das Verfahren zunächst ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Die Münsteraner Richter haben um eine Auslegung des Begriffs der elektronischen Kommunikationsdienste aus Art. 2 lit. c der Rahmenrichtlinie gebeten, um im konkreten Fall zu klären, ob es sich bei Gmail um einen Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG bzw. der Rahmenrichtlinie handelt. Dazu hat der EuGH am 13.06.2019 in einem Urteil (Az. C- 193/18) Stellung genommen. Zentrale Vorlagefrage des OVG an den EuGH war, ob es sich bei internetbasierten E-Mail-Diensten, die selbst keinen Internetzugang bereitstellen, um Telekommunikationsdienste handelt, die Signale über elektronische Kommunikationsnetze übermitteln.

Der EuGH ist der Meinung, dass Googles Webmail-Dienst Gmail nicht als Telekommunikationsdienst einzustufen ist. Dies wird damit begründet, dass es für eine ganze oder überwiegende Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne der Rahmenrichtlinie nicht ausreicht, wenn ein Webmail-Dienst lediglich die jeweiligen E-Mail-Adressen den Mailserver-IP-Adressen zuordnet, um eine Übertragung zu ermöglichen oder die jeweiligen Nachrichten in Datenpakete zerlegt, um sie ins offene Internet einzuspeisen oder aus dem offenen Internet zu empfangen. Zudem würde der Umstand, dass Google eine Netzinfrastruktur in Deutschland betreibt, die der Meldepflicht des TKG unterliegt, dem nicht entgegenstehen. Von einem internetbasierten Dienst des Unternehmens könne nicht direkt auf alle anderen Dienste geschlossen werden, es bedürfe stets einer Einzelfallprüfung, ob der jeweilige Dienst ganz oder überwiegend Signale überträgt. Googles elektronischen Kommunikationsnetze würden primär von anderen Diensten von Google, beispielsweise deren Suchmaschine verwendet. Im vorliegenden Fall übertrage Gmail selbst nicht ganz oder überwiegend Signale, sondern verwende dazu mittelbar das Internet.

Das OVG hat in seiner Urteilsbegründung überwiegend auf die Ausführungen des EuGH verwiesen. Somit ist Gmail nicht als Telekommunikationsdienst einzuordnen und unterliegt auch nicht der Meldepflicht aus dem TKG. Das OVG hat der Klage stattgegeben, das Urteil des VG Köln geändert und den Bescheid der BNetzA aufgehoben. Auf die Frage nach der Entgeltlichkeit komme es aus Sicht des EuGH und des OVG im vorliegenden Fall nicht an, da die Einordnung als Telekommunikationsdienst schon an der fehlenden überwiegenden Signalübertragung scheitert.

Fazit

Um entscheiden zu können, ob ein Telekommunikationsdienst vorliegt, kommt es vor allem auf die Auslegung der Rahmenrichtlinie der Europäischen Union an, da das TKG ihre Umsetzung im deutschen Recht ist. Mithin müssen sie harmonieren und die deutsche sowie die europäische Auslegung des Begriffs des Telekommunikationsdienstes im Einklang stehen.

Es ist festzuhalten, dass Webmail-Dienste keine Telekommunikationsdienste im Sinne des TKG darstellen, weil sie den Kunden meist keinen Internetzugang bieten. Aus diesem Umstand folgt, dass durch die Webmail-Dienste nicht selbst überwiegend Signale übertragen werden. Webmail-Dienste unterliegen folglich nicht die Pflichten des TKG, vor allem nicht der Meldepflicht bei der BNetzA. Die Entscheidung des OVG bezieht sich nicht nur auf Webmail-Dienste, sondern könnte auch auf andere webbasierte Dienste, die keinen Internetzugang bieten, übertragen werden.

Diese rechtliche Einordnung könnte sich jedoch durch die bevorstehende ePrivacy-Verordnung der Europäischen Union wieder ändern, welche eine stärkere Regulierung von internetbasierten Diensten beabsichtigt

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