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Wir berichten über die europäische Textilkennzeichnungsverordnung und erläutern, was Händler genau kennzeichnen müssen.

Leitfaden zur europäischen Textilkennzeichnungsverordnung (TextilKennzVO)

Einführung

Textilunternehmen können innerhalb der Europäischen Union weitgehend unproblematisch in allen Mitgliedstaaten ihre Textilien verbreiten. Besonders für größere Unternehmen ist der europäische Binnenmarkt interessant. Dabei ist jedoch die europäische Textilkennzeichnungsverordnung 1007/2011/EG (TextilKennzVO) zu beachten. Diese sieht zahlreiche Bestimmungen hinsichtlich der Bezeichnungen von Textilfasern und der damit zusammenhängenden Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen vor. Um rechtliche Verstöße oder Abmahnungen nach dem UWG zu vermeiden, sollte man folgende Punkte beachten:

  • Pflicht zur Etikettierung aus Art. 14, 15 TextilKennzVO – dies gilt gleichermaßen für Hersteller als auch für Händler gem. Art. 15 TextilKennzVO
  • Gem. Art. 5 Abs. 1 S.1 TextilKennzVO dürfen nur die in Anhang I genannten Begriffe verwendet werden dürfen.
  • Gemäß Art. 5 S.2 TextilKennzVO dürfen die Bezeichnungen nach Anhang I weder alleinstehend noch in Wortverbindungen oder als Eigenschaftswort für andere Fasern verwendet werden.
  •  Gemäß Art. 16 Abs. 2 S.3 TextilKennzVO sind andere Informationen stets getrennt davon auszuführen.
  • Gemäß Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO muss die Etikettierung oder Kennzeichnung in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, erfolgen. 
  • Wenn das Produkt online beworben wird, muss gem. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzVO der Verbraucher vor dem Kauf die Informationen aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO einsehen können.

Ausnahmen zu den Kennzeichnungspflichten

Kataloge/Prospekte ohne direkte Bestellmöglichkeit

Eine Kennzeichnungspflicht entfällt bei Katalogen oder Prospekten, die keine direkte Bestellmöglichkeit vorsehen. In so einem Fall können die Informationen über die Textilzusammensetzung immer noch nach Bestellung, aber vor dem Kauf erteilt werden (BGH Urteil vom 24.03.2016, Az. I ZR 7/15).

Begriffe des allgemeingültigen Sprachgebrauchs

Eine Ausnahme von der Pflicht zur Verwendung deutscher Bezeichnungen aus Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO für hierzulande vertriebene Produkte nimmt der BGH auch im Urteil vom 31.10.2018 (I ZR 73/17) an. In dem Fall hat die Beklagte den englischen Begriff „Cotton“ für die Kennzeichnung einer auf Amazon.de vertriebenen Jogginghose genutzt.

Dies ist auch ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 TextilKennzVO, wonach für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen allein die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I der TextilKennzVO einschlägig sind. 

Die Beurteilung eines Begriffs richtet sich nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG und § 5a Abs. 2 UWG. Dabei ist abzuwägen, ob der Händler irreführend handelt, wenn er eine Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und die somit geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Informationen sind gem. Art. 7 Abs. 5 Richtlinie 2005/29/EG wesentlich, wenn es sich um Informationen handelt, die die Werbung und damit die kommerzielle Kommunikation betreffen und dem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen. In diesem Fall würde es sich um einen Rechtsbruch handeln, der spürbar im Sinne des § 3a UWG ist.

Die Verwendung des Begriffs „Cotton“ ist nicht auf das Kennzeichenrecht beschränkt, sondern allgemeingültig. Der Begriff „Cotton“ hat sich im deutschen Sprachgebrauch insoweit etabliert, dass der Durchschnittsverbraucher diesen Begriff ohne weiteres als Baumwolle verstehe.  Wenn der Verbraucher den Begriff „Cotton“ umgangssprachlich für „Baumwolle“ verwendet, ist ein Vorenthalten des deutschen Begriffs vorliegend nicht wesentlich, da diese Information den Verbraucher nicht abgehalten hätte, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.

Situation in anderen Mitgliedstaaten

Mit der Verwendung des Begriffs „Cotton“ besteht somit eine praktische Ausnahme in Deutschland zur Grundregel des Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO bezüglich der Verwendung der Landessprache des Mitgliedstaates. Zu beachten ist, dass die Entscheidung des BGH nur in Deutschland Relevanz hat. Ob die Verwendung des Englischen „Cotton“ beispielsweise in Spanien (algodón), Italien (cotone), Polen (bawełna), Tschechien (bavlník) oder Ungarisch (pamut) dort als Ausnahme Bestand haben könnte, erscheint zweifelhaft und ist ohne gesicherte Rechtsprechung nicht empfehlenswert.

Beispiele anderer ähnlicher Begriffe

Weniger Problematisch stellt sich die Verwendung von Begriffen chemisch hergestellter Materialien dar, wie z.B. Polyester – englisch: polyester – welcher auch in den weiteren Mitgliedstaaten mit: poliestere (Italienisch), polyester (Französisch), poliéster (Portugiesisch), poliester (Polnisch), polyester (Niederländisch), polyesterit (Finnisch), poliészter (Ungarisch) oder poliester (Rumänisch) sehr ähnlich übersetzt wird.

Auch Viskose hat ähnliche Übersetzungen: viscose (Englisch, Französisch, Portugiesisch, Niederländisch), viscosa (Spanisch, Italienisch), wiskoza (Polnisch), viskoza (Slowenisch, Kroatisch), viskóza (Slowakisch), viskos (Schwedisch), viszkóz (Ungarisch), viscoză (Rumänisch), viskoos (Estnisch) oder viskoze (Lettisch, Litauisch).

Übersicht erlaubter Begriffe

Die Textilkennzeichnungsverordnung 1007/2011/EG ist auf der Rechtsseite der Europäischen Union einsehbar. Eine genaue Übersicht der erlaubten Begriffe samt ihren Beschreibungen ist dort im Anhang der Verordnung in der jeweiligen Mitgliedssprache vorhanden.

Fazit

Ein Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung ist nicht immer automatisch unlauter im Sinne des UWG. Entscheidend ist, ob die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigt werden gem. § 3a UWG. Dabei ist gem. § 5a Abs. 2 UWG auf das Vorenthalten wesentlicher Informationen abzustellen. Nur wenn das Fehlen dieser Information geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, liegt ein Verstoß gegen das UWG vor.

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