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Am 01.01.2022 treten umfangreiche Neuerungen im Schuldrecht in Kraft. Wir erläutern, worin diese Änderungen bestehen und welche Auswirkungen sie im digitalen Bereich haben.

Neuer Mangelbegriff im Schuldrecht

Einführung 

Am 24. Juni 2021 wurden im deutschen Bundestag die Umsetzungen der europäischen Warenkaufrichtlinie (WKRL (EU) 2019/711) und der europäischen Richtlinie zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen (DIDRL (EU) 2019/770) beschlossen. Die Änderungen treten ab dem 01. Januar 2022 in Kraft und gelten für alle neu geschlossenen Verträge. Die Ziele der Richtlinie sind eine weitgehende Digitalisierung des Kaufrechts und eine Stärkung der Verbraucherrechte. Insbesondere steht in den Richtlinien ein neuer Mangelbegriff im Fokus. Bisher herrschte ein einheitlicher Mangelbegriff in § 434 BGB a.F., ab dem 01. Januar 2022 wird es mehrere Mangelbegriffe geben, die in mehreren Paragraphen des BGB zu finden und anhand des Vertragstypus zu bestimmen und zuzuordnen sind.  

Den genauen Wortlaut der Gesetzesänderungen der WKRL finden Sie hier und den der DIDRL hier. Hierbei handelt es sich um die umfangreichsten Änderungen des Schuldrechts nach der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002. 

Im Folgenden wird auf die Neuerungen durch die Umsetzung der Richtlinien und dabei insbesondere auf die Auswirkungen im digitalen Bereich eingegangen.  

Einführung eines neuen Vertragstypen durch die DIDRL? 

Mit Einführung der §§ 327 ff. BGB n.F., welche die DIDRL umsetzen, wird ein neuer Vertragstypus geschaffen: ein Verbrauchervertrag, der digitale Produkte und Dienstleistungen zum Inhalt hat. Dabei ist die Vertragsart aufgrund ihrer Stellung im allgemeinen Schuldrecht nicht auf einen bestimmten Vertrag, wie etwa einen Kauf gem. § 433 BGB, beschränkt, sondern gilt für alle besonderen Vertragstypen des BGB, bspw. Kaufverträge, Mietverträge, Schenkungen und Werkverträge. Im besonderen Schuldrecht stehen bei den Vertragstypen sodann Vorschriften, die regeln, dass, sofern ein digitales Produkt Vertragsgegenstand ist und es sich um einen Verbrauchervertrag handelt, die §§ 327 ff. BGB n.F. Vorrang vor den Regelungen des besonderen Schuldrechts haben. 

Teil dieses neuen Vertragsgegenstandes sind digitale Produkte. Von den §§ 327 ff. BGB n.F. sind nun vor allem Verträge betroffen, die die Erstellung, Bereitstellung, Verarbeitung und Speicherung von digitalen Daten beinhalten. Maßgeblich ist nicht die Art des Vertrages, sondern dessen digitale Form. Beispielsweise fallen darunter nun Cloudanbieter, Streamingdienste und Anbieter von Computersoftware. Für die Einordnung als “digitalen Vertrag” ist es zudem unerheblich, ob die Daten zusätzlich in physischer Form, wie etwa auf einer CD, gespeichert sind. §§ 327 Abs. 5, 475a Abs. 1 BGB n.F. stellen klar, dass nicht der Datenträger für die Einordnung als Sache maßgeblich ist, sondern die darauf befindliche Software, welche den Datenträger letztlich zum digitalen Inhalt macht und nicht zu einer Sache. 

Neuer Mangelbegriff  

Je nach Vertragstyp und -gegenstand gibt es nun verschiedene Mängelbegriffe, namentlich in den §§ 434, 475b, 475c BGB n.F. Dabei handelt es sich jedoch nicht um gänzlich unterschiedliche Begriffe und Bestimmungen. Vielmehr ergänzen sie sich und sind für verschiedene Arten von Verträgen anwendbar. 

Kaufrechtlicher Mangelbegriff gem. § 434 BGB n.F. 

Sofern ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB vorliegt, der kein Verbrauchervertrag ist, gilt der Mangelbegriff des § 434 BGB n.F. Demnach ist gem. § 434 Abs. 1 BGB n.F. eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven, den objektiven und den Montageanforderungen entspricht und keine andere als die vertraglich geschuldete Sache geliefert wird.  

Den subjektiven Anforderungen wird gem. § 434 Abs. 2 BGB n.F. entsprochen, wenn die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit vorliegt oder sich die Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Die objektive Beschaffenheit der Sache gem. § 434 Abs. 3 BGB n.F. bezieht sich sodann darauf, dass die Sache der üblichen Beschaffenheit entspricht, also mittlerer Art und Güte ist. Die Anforderungen des § 434 Abs. 4 BGB n.F. sind erfüllt, wenn die Montage sachgemäß durchgeführt worden ist oder zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht. 

Im Unterschied zum derzeit geltenden kaufrechtlichen Mangelbegriff in § 434 BGB a.F. ist der subjektive Fehlerbegriff nun nicht mehr vorrangig, vielmehr stehen subjektive und objektive Fehler nun gleichwertig nebeneinander. Demnach können ab dem 01. Januar 2022 Fälle eintreten, in denen der Kaufgegenstand zwar der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, jedoch trotzdem mangelhaft ist, weil er den objektiven Anforderungen des Produkts nicht gerecht wird.  

Kaufrechtlicher Mangelbegriff gem. § 475b BGB n.F.  

Des Weiteren wurde ein Mangelbegriff für den Verbrauchsgüterkauf eingeführt. Dieser ist in § 475b BGB n.F. verankert und gilt für Verbrauchsgüterkäufe, die eine Ware mit digitalen Elementen zum Kaufgegenstand haben. Dabei handelt es sich um Waren, die digitale Produkte enthalten oder derart mit digitalen Produkten verbunden sind, dass die Ware ohne den digitalen Part seine Funktion nicht erfüllen kann. Beispiele sind Smartphones, Tablets oder Smart Home Geräte.  

Mangelhaft sind diese Produkte gem. § 475b Abs. 2 BGB n.F., wenn sie bei Gefahrübergang nicht den subjektiven oder objektiven Anforderungen entsprechen oder wenn die Montage- oder Installationsanforderungen nicht erfüllt sind. Zunächst gilt der Mangelbegriff des § 434 BGB n.F. (s.o.) vollumfänglich. Außerdem ergänzt der § 475b BGB n.F. diese Voraussetzungen mit einer Aktualisierungspflicht des Verkäufers.  

Im Rahmen der subjektiven Anforderungen an das Produkt bestimmt § 475b Abs. 3 BGB n.F., dass die Ware nur frei von Sachmängeln ist, wenn der Verkäufer die im Vertrag vereinbarten Aktualisierungen im maßgeblichen Zeitraum bereitstellt. Unter Aktualisierungen fallen sodann Updates und Upgrades. Neu ist hier, dass der Mangelbegriff sich bezüglich der Aktualisierungen nicht auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs beschränkt, sondern der ganze Vertragszeitraum maßgeblich ist. 

Auch wenn im Vertrag selbst keine Aktualisierungen vereinbart wurden, müssen im Rahmen der objektiven Anforderungen aus § 475b Abs. 4 BGB n.F. vom Verkäufer dennoch diejenigen Aktualisierungen vorgenommen werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind. Erfasst sind von dieser Vorschrift vor allem funktionserhaltende Updates und Sicherheitsupdates. Im Gesetz ist kein genauer Zeitraum für die Aktualisierungspflichten nach § 475b Abs. 3 BGB n.F. genannt, er bestimmt sich also danach, wann und wie lange ein Durchschnittskäufer die Updates nach den Umständen des Einzelfalls erwarten kann. Des Weiteren muss der Verkäufer den Kunden über die Aktualisierungen informieren. Diese Informationspflicht unterliegt aber keiner bestimmten Form.  

Die objektiven Aktualisierungspflichten sind abdingbar. Dies kann beispielsweise in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geschehen. Zu beachten ist dabei aber, dass die strengen Voraussetzungen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. eingehalten werden müssen. 

In § 475b Abs. 6 BGB n.F. stehen die Neuerungen für Montage- und Installationsanforderungen. Für die Montageanforderungen gilt nichts anderes als bei § 434 BGB n.F. Die Installationsanforderungen sind ähnlich wie die Montageanforderungen dann erfüllt, wenn die Installation der Produkte sachgemäß durchgeführt worden ist oder die unsachgemäße Installation weder auf einer unsachgemäßen Installation durch den Unternehmer noch auf einer fehlerhaften Anleitung beruht, die durch den Unternehmer oder durch denjenigen, der die digitalen Elemente bereitgestellt hat, übergeben worden ist. 

Kaufrechtlicher Mangelbegriff gem. § 475c BGB n.F. 

§ 475c BGB n.F. BGB ergänzt den § 475b BGB n.F., wenn es um die dauerhafte Bereitstellung von digitalen Elementen in Verbrauchsgüterkäufen geht. Dauerhaft bedeutet gem. § 327e Abs. 1 S. 3 BGB n.F. die fortlaufende Bereitstellung über einen Zeitraum. Beispiele sind hier Verkehrsdaten in einem Navigationsgerät, Smartphone Apps oder eine Cloudanbindung bei einer Spielekonsole. 

Die Sache ist nur frei von Sachmängeln, wenn im Bereitstellungszeitraum die erforderlichen Aktualisierungen vorgenommen werden. Unabhängig von einer konkreten Vereinbarung über den Bereitstellungszeitraum müssen gem. § 475c Abs. 2 BGB n.F. die digitalen Elemente nach Ablieferung der Sache mindestens zwei Jahre in einem vertragsgemäßen Zustand gehalten werden. 

Verbraucherrechtlicher Mangelbegriff bei digitalen Produkten gem. § 327e BGB n.F.  

In § 327e BGB n.F. ist der Mangelbegriff für Verbraucherverträge mit digitalen Inhalten geregelt. Das Produkt ist demnach frei von Sachmängeln, wenn es den subjektiven, objektiven und Integrationsanforderungen entspricht.  

Bezüglich der subjektiven Anforderungen ist auf die Ausführungen zu § 434 Abs. 2 BGB n.F. zu verweisen. Darüber hinaus gehört dazu aber noch die Bereitstellung des vertraglich vereinbarten Zubehörs, der Anleitungen, eines Kundendienstes und der Aktualisierungen. Unter Aktualisierungen fallen Updates und Upgrades der Software (vgl. die Ausführungen zu § 475b Abs. 3 BGB n.F.). 

Um die objektiven Voraussetzungen des Produkts gem. § 327e Abs. 3 BGB n.F. zu erfüllen, muss es sich für die gewöhnliche Verwendung eignen oder die übliche Beschaffenheit aufweisen, also mittlerer Art und Güte sein. Zudem müssen (anders als in § 434 BGB n.F.), auch zwingend die Vorschriften der DS-GVO eingehalten werden, da die digitalen Produkte sonst nicht den berechtigten Erwartungen der Verbraucher entsprechen. Darüber hinaus muss das digitale Produkt zusätzlich gem. § 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB n.F. der Testversion entsprechen und gem. § 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BGB n.F. Zubehör und Anleitungen enthalten, sofern der Verbraucher dies erwarten kann. Des Weiteren sind auch die erforderlichen Aktualisierungen im Sinne des § 327f BGB n.F. vorzunehmen (§ 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 5) und es ist jeweils die aktuellste Version des Produkts bereitzustellen (§ 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BG n.F.) 

Die Integration ist gem. § 327e Abs. 4 BGB n.F. gewahrt, wenn sie ähnlich wie die Montageanforderungen, sachgemäß durchgeführt wurde oder zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Integration durch den Unternehmer noch auf einem Mangel in der vom Unternehmer bereitgestellten Anleitung beruht. Integration bedeutet dabei, dass das digitale Produkt durch Verbindung oder Einbindung mit den oder in die Komponenten der digitalen Umgebung des Verbrauchers eingebracht wird, damit das Produkt den Anforderungen der §§ 327a ff. BGB n.F. entspricht. Zur digitalen Umgebung gehören Hardware, Software und Netzverbindungen aller Art. 

Abgrenzungen 

Wie bereits erläutert, ergänzen sich die neuen Mangelbegriffe im BGB und sind je nachdem, was für ein Vertrag vorliegt, anwendbar.  § 434 BGB n.F. gilt für Kaufverträge, die keine Verbraucherverträge sind. §§ 475b, c BGB n.F. kommen ergänzend zur Anwendung, wenn ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, der eine Ware mit digitalen Elementen zum Gegenstand hat. Ein Beispiel hierfür wäre ein Vertrag über ein Smartphone oder ein Smart Home Gerät. Letztlich ist der   § 327e BGB n.F. maßgeblich, wenn es sich um einen Verbrauchervertrag handelt, bei dem ein digitales Produkt der Vertragsgegenstand ist. Beispiele hierfür sind SaaS- (Software as a Service) oder Cloudverträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, da bei ihnen die Software als digitales Produkt im Fokus des Vertrages steht. 

Es ist also genau abzugrenzen, ob ein Verbrauchervertrag vorliegt und wenn es um Verträge im digitalen Bereich geht, welche Art von Produkten oder Dienstleistungen vertrieben werden, damit genau unter §§ 327 ff., 475b, c BGB n.F. subsumiert werden kann. Falls die Fallkonstellation weder unter §§ 327 ff. BGB n.F. noch unter § 475b BGB n.F. fällt, bspw. wenn es um einen Kaufgegenstand mit digitalen Elementen geht, bei dem die digitalen Elemente aber nicht bei Vertragsschluss bereitgestellt wurden oder das Produkt auch ohne digitale Elemente funktionieren kann, richtet sich die Mangelhaftigkeit der Sache nach § 434 BGB n.F. und die der digitalen Inhalte, also der Software, nach § 327e BGB n.F. 

Weitere Änderungen des Schuldrechts 

Neben den Mangelbegriffen wurde noch der § 439 Abs. 3 BGB geändert; in der neuen Fassung kann dem Käufer vom Verkäufer der Kostenersatz bei Entfernung der mangelhaften Sache bei vertragsgemäßem Einbau nur verweigert werden, wenn der Käufer positive Kenntnis von der Mangelhaftigkeit beim Einbau hatte. Vorher schadete ebenfalls fahrlässige Unkenntnis von der Mangelhaftigkeit. Zudem wird die Beweislastumkehr in       § 477 BGB n.F. von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. 

Fazit 

Die Einführung des neuen Schuldrechts wird vermutlich zu einer großen Umstellung führen, gerade weil es seit der großen Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 keine vergleichbar umfangreiche Änderung des Schuldrechts und vor allem auch keine Änderung des Mangelbegriffs gab. 

Durch die Einführung der verschiedenen Mangelbegriffe wird nun deutlich, dass das Verbraucherrecht immer weiter vom geltenden Recht zwischen zwei Unternehmern oder zwei Verbrauchern abweicht. Wie bereits dargestellt, finden die Ausführungen zu §§ 327 ff., 475b, c BGB n.F. keine Anwendung auf Verträge, an denen kein Verbraucher beteiligt ist bzw. zwei Verbraucher beteiligt sind.  

Neu ist vor allem die Einführung des Verbrauchervertrages über digitale Produkte und des Verbrauchsgüterkaufs über Waren mit digitalen Elementen und die dabei entstehenden Aktualisierungspflichten in Form von Updates und Upgrades. 

Als Folge der umfangreichen Stärkung der Verbraucherrechte durch die Umsetzung der Richtlinien ergibt sich nun eine verschärfte Haftung für Unternehmen, da sie fortan eine weitaus umfangreichere Sachmängelgewähr leisten müssen. Außerdem müssen bisher genutzte AGB ggf. geändert werden, damit sie die ab dem 01. Januar 2022 geltenden schuldrechtlichen Bestimmungen erfüllen. 

Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Verträge über digitale Produkte und Ihre AGB auf den neusten Stand zu bringen.

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12741-Commission-Implementing-Decision-on-standard-contractual-clauses-for-the-transfer-of-personal-data-to-third-countrie

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