Unternehmen warten auf Klarheit
Kommen bald endlich Regelungen für die Arbeitszeiterfassung?
Einleitung
Im Rahmen seines Beschlusses vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärt, dass bereits jetzt nach deutschem Recht die Arbeitszeiterfassung zum Schutz der Arbeitnehmer:innen verpflichtend ist.
Dabei beruft sich das BAG im Wesentlichen auf das sog. Stechuhr-Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 (EuGH Rs. 55/18 CCOO), welches die Auslegung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) betraf. Das Urteil haben wir damals auch in unserem Blog-Artikel betrachtet (zum Nachlesen unter https://rickert.law/verpflichtung-des-arbeitgebers-zur-systematischen-arbeitszeiterfassung/).
Der EuGH hatte festgestellt, dass Arbeitgeber nach Unionsrecht verpflichtet sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, um die Arbeitszeiten von Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Die EU-Mitgliedstaaten sind dazu angehalten, diese Pflicht umzusetzen und Details zu regeln.
Deutschland und die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
In Deutschland ist die Umsetzung bisher noch nicht erfolgt. Das BAG verleiht dem EuGH-Urteil Nachdruck und drängt die Politik darauf, durch neue Regelungen im Arbeitszeitgesetz endlich Rechtsicherheit für deutsche Unternehmen zu schaffen.
Neu ist allerdings die Feststellung des BAG, dass trotz bislang fehlender Umsetzung des Unionsrechts in Deutschland schon eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt, weil § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz im Lichte des Unionsrecht auszulegen ist.
In seinen Urteilsgründen aus dem vergangenen Dezember machte das BAG allerdings noch keine inhaltlichen Vorgaben für zukünftige Regelungen. Es wurde offen gelassen, ob das System digital oder analog sein soll.
Zudem hat das BAG klargestellt, dass die Dokumentation der Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer:innen selbst delegiert werden kann, was beispielsweise mit Blick auf die Arbeit im Home Office interessant ist. Voreilige Schlüsse oder Ängste vor dem Ende der Vertrauensarbeitszeit sind daher unbegründet. Das BAG betont vielmehr, dass die Arbeitszeiterfassung allein dem Schutz der Arbeitnehmer:innen dient: Sie sollen davor bewahrt werden, zu viel zu arbeiten und Ruhezeiten nicht einzuhalten.
Das Bundesarbeitsministerium hat angekündigt, voraussichtlich noch im ersten Quartal 2023 einen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz vorzustellen. Bislang ist durch das Arbeitszeitgesetz nur die Aufzeichnung von Überstunden und Arbeit an Sonn- und Feiertagen vorgegeben.
Fazit
Für Arbeitgeber ist es ratsam, jetzt zeitnah ein entsprechendes Erfassungssystem einzurichten oder sich zumindest näher mit praktikablen Modellen auseinanderzusetzen. Eine Strafe bei fehlender Einrichtung muss zumindest bislang noch nicht befürchtet werden.