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Wir erläutern, was unter einem immateriellen Schaden zu verstehen ist und inwieweit Schadenserstaz für solche Schäden geleistet wird.

Art. 82 DS-GVO: Immaterieller Schadensersatz bei datenschutzverstößen

Einleitung

Sofern Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) einen Schaden verursachen, ist dieser dem Betroffenen gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu ersetzen. Im Gegensatz zur alten Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG a.F.) sind nicht nur Vermögensschäden, sondern auch ausdrücklich immaterielle Schäden erfasst. Im BDSG a.F. wurde lediglich vom Oberbegriff des Schadens gesprochen, womit regelmäßig nur ein materieller Schaden gemeint war.

In der DS-GVO wird der Begriff des immateriellen Schadens nicht weiter definiert, es ist mithin schwierig abzugrenzen, was genau darunterfällt und in welcher Höhe Schadensersatz zu gewähren wäre. Im Folgenden soll näher darauf eingegangen werden, was unter einem immateriellen Schaden im Sinne der DS-GVO zu verstehen ist und welche Arten von Schäden darunterfallen.  

Begriff des immateriellen Schadens

Nach allgemeiner Definition ist unter einem immateriellen Schaden ein Nichtvermögensschaden zu verstehen. Der Begriff des Nichtvermögensschadens muss nun weiter konkretisiert werden. Gemäß Erwägungsgrund 146 S. 3 der DS-GVO ist nach europäischer Rechtsprechung ein weites Begriffsverständnis des immateriellen Schadens zugrunde zu legen. Danach könnte jeder  Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO, unabhängig von seinem Schweregrad, bereits einen immateriellen Schaden begründen. Diese Auslegung wurde auch schon für Entscheidungen von österreichischen und niederländischen Gerichten beherzigt. Hierfür spricht zunächst, dass der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO keine Beschränkung auf bspw. schwere Verstöße vorsieht. Im Umkehrschluss müssten also auch nur leichte Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu einem immateriellen Schaden führen können. Zudem sollte der Schadensersatz der DS-GVO durch eine großzügige Schadensersatzgewährung eine abschreckende Wirkung entfalten, in der Hoffnung die Anzahl an Verstößen in Zukunft minimieren zu können. Die Gegenansicht kritisiert, dass durch die weite Auslegung des Nichtvermögensschadens ein erhöhtes Missbrauchspotenzial des nahezu voraussetzungslosen immateriellen Schadensersatzanspruchs folgen könnte. Zudem stünde die weite Auslegung im Widerspruch zum deutschen Schadensrecht . Dies liegt daran, dass das deutsche Recht keinen Strafschadensersatz kennt und traditionell zurückhaltend und restriktiv mit Nichtvermögensschäden umgeht. Aufgrund der weiten Auslegung könnten Betroffene sodann immaterielle Bagatellschäden im Bereich des Datenschutzrechts geltend machen, in anderen Schutzbereichen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch nicht, da hier ein enges Begriffsverständnis des Nichtvermögensschadens zugrunde gelegt wird.

Da von deutschen Gerichten der Begriff des immateriellen Schadens enger verstanden wird, gewähren sie nur in zurückhaltender Weise Schadensersatz. Ein Schaden soll erst mit einer konkreten und nicht nur individuell empfundenen Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben sein. Dies wird unter anderem auf Erwägungsgrund 85 der DS-GVO gestützt, welcher als Beispiele für einen Schaden eine Rufschädigung oder eine Diskriminierung  nennt. Hiervon lässt sich eine gewisse Erheblichkeitshürde ableiten, sodass bloße Bagatellschäden, sowie individuell empfundene Unannehmlichkeiten nicht ersatzfähig sind. Einen Bagatellschaden hat das Amtsgericht Diez (Urt. v. 07.11.2018, Az.: 8 C 130/18) bspw. bei einer unerlaubten E-Mail-Werbung angenommen. Es handelte sich lediglich um eine E-Mail, welche nach Ansicht des Gerichts keinen spürbaren Nachteil, sondern nur eine Unannehmlichkeit für den Empfänger darstellte. Ob bei mehrfachen Bagatellschäden desselben Betroffenen ausnahmsweise ein Schadensersatz gewährt werden kann, ist aufgrund der geringen Anzahl an deutschen Urteilen bisher noch ungeklärt.

Höhe des Schadensersatzes

Die Bezifferung der Schadenshöhe orientiert sich an der Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion des Schmerzensgeldes und steht mithin im Ermessen der Gerichte. Auf diesem Wege soll ebenfalls erreicht werden, künftigen Datenschutzverstößen entgegenzuwirken.

Kausalität und Beweislast

Art. 82 Abs. 1 DS-GVO fordert eine gewisse Kausalität zwischen dem Datenschutzverstoß und dem entstandenen Schaden. Der Schaden muss gerade wegen des Verstoßes gegen die DS-GVO entstanden sein. Folglich wird eine hinreichende Kausalität verlangt. Dem schließen sich auch deutsche Gerichte an.

Im Unionsrecht fehlen allgemeine Bestimmungen zur Beweislastregelung, sodass in den konkreten Fällen auf das nationale Recht zurückgegriffen werden muss. Im deutschen Recht ist derweil noch umstritten, welche Beweislastregeln gelten sollen.

Teilweise wird vertreten, dass aus der Rechenschaftspflicht des Verantwortlichen aus Art. 5 Abs. 2 DS-GVO und den Nachweispflichten des Verantwortlichen aus Art. 24 Abs. 1 DS-GVO eine weitgehende Beweislastumkehr zulasten des Verantwortlichen folgt, sodass der Verantwortliche das Nichtvorliegen des Datenschutzverstoßes belegen muss.

Die Gegenansicht zieht die  heran, sodass jede Partei die Beweislast für ihre Behauptungen trägt. Jedoch wird gem. Art. 82 Abs. 3 DS-GVO ein Verschulden des Verantwortlichen widerlegbar vermutet. Daraus folgt, dass der Verantwortliche von einer Haftung nur befreit ist, sofern er nachweist, dass er in keiner Weise für den Schaden verantwortlich ist. Als Beispiel für die bisherige deutsche Rechtsprechung folgt das LG Karlsruhe (Urt. v. 02.08.2019, Az.: 8 O 26/19) letztgenannter Ansicht und zieht die zivilprozessualen Regeln heran, sodass der Betroffene grundsätzlich die Beweislast für den haftungsbegründenden Tatbestand trägt, das Verschulden des Verantwortlichen jedoch nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO vermutet wird.

Beide Ansätze stellen einen großen Unterschied zum Schadensersatzanspruch nach dem BDSG a.F. dar, wonach keine Verschuldensvermutung zulasten des Verantwortlichen galt. In der Vergangenheit war es schwer für Geschädigte, das Vorliegen des haftungsbegründenden Tatbestands hinreichend belegen zu können.  Mithin scheiterten die Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz meist aufgrund der Beweislastregeln.

Fazit

Innerhalb der EU findet derweil keine einheitliche Anwendung des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO statt, da der Begriff des immateriellen Schadens unterschiedlich weit ausgelegt wird. Vor allem die deutsche Rechtsprechung verwendet entgegen des Wortlauts des Erwägungsgrundes 146 der DS-GVO (weite Auslegung) eine enge Auslegung des immateriellen Schadensbegriffs. Deutsche Gerichte fordern bisher einen spürbaren Persönlichkeitsrechtsverstoß, der weit über eine Bagatelle hinausgeht. Zudem bestehen unterschiedliche Ansichten bezüglich der Beweislast.

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