Wieviel EU steckt im Datenschutz von UK & CH?

EU-Datenschutz

Datenschutz im Vereinigten Königreich und der Schweiz

EU-Datenschutz

Wieviel EU steckt im Datenschutz in UK und CH?  

Einleitung

Nach etwas mehr als zwei Jahren nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs („UK) werden jetzt die unterschiedlichen Gesinnungen von UK und der Europäischen Union („EU“) deutlich. Der Austritt zieht datenschutzrechtliche Folgen nach sich. Ein dem britischen Parlament vorliegender Gesetzesentwurf befindet sich derzeit noch in der Anfangsphase der Lesungen. Dahinter steckt die Motivation der britischen Regierung, Verbesserungen der 2018 in Kraft getretenen EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vorzunehmen. 

Im Kontrast dazu steht das neueste datenschutzrechtliche Gesetzesvorhaben der Schweiz. Obwohl die Schweiz kein Mitglied der Europäischen Union ist, nähert sie sich dieser in vielerlei Hinsicht an – so auch im Datenschutzrecht. 

Mögliche neue Regelungen in UK 

Die britische Seite kritisiert, dass gemäß den derzeitigen Regelungen gewisse Hürden für Unternehmen und Konsumenten bestünden, weshalb der Regierung ein neuer Gesetzesentwurf namens „Data Protection and Digital Information Bill“ vorliegt.  

So sei es beispielsweise für kleine Unternehmen umständlich, einen Datenschutzbeauftragten zu ernennen. Diese Pflicht soll wegfallen. Weiterhin seien vor allem kleine Unternehmen zunehmend mit einer Ungewissheit konfrontiert, weshalb allgemein ein Verbesserungsbedürfnis bestehe, insbesondere in Bezug auf die vermeintlich hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen an Unternehmen. Befürchtet wird ein Regime, das nur auf der Einhaltung von Verpflichtungen basiere anstelle eines Systems, welches zu proaktivem Handeln ermutige.  

Behörden müssen Betroffene nicht mehr über automatisierte Entscheidungsfindung informieren 

Diese Änderung stellt einen großen Unterschied zur EU-DS-GVO dar. Die zuständigen Behörden sollen nicht mehr verpflichtet sein, betroffene Personen über eine automatisierte Entscheidungsfindung zu informieren. Ein begründendes Beispiel: Wenn die Daten einer Person von polizeilichem Interesse sind, würde ein Hinweis an die Person die laufende polizeiliche Untersuchung beeinträchtigen können.  

Die Protokoll-Pflicht entfällt  

Zudem soll die Pflicht zur Erstellung von Protokollen über Datenverarbeitungen wegfallen. Diese Protokolle stellen eine technische und organisatorische Maßnahme im Sinne des Art. 32 EU-DS-GVO dar und dienen der sog. Eingabekontrolle. Hierdurch soll, in DS-GVO konformer Weise, protokolliert werden, wer wann Zugriff auf personenbezogene Daten genommen hat und wie er diese weiterverarbeitet hat (insbes. Veränderung der Daten), um eine unbefugte Verarbeitung nachträglich feststellen und überprüfen zu können. Der britische Gesetzgeber hält dies jedoch für zu ressourcenintensiv, es stünde in keinem Verhältnis zum daraus resultierenden Mehrwert. Es sei unwahrscheinlich, dass jemand, der zu Unrecht auf Daten zugreift, eine ehrliche Rechtfertigung dokumentiere.  

Regelungen zur Einwilligung bleiben, erweitert um eine Liste, wann ein legitimes Interesse an der Datenverarbeitung besteht 

Unverändert erhalten   sollen die Regelungen zur Einwilligung bleiben. Um den Unternehmen aber die Einschätzung zu erleichtern, ob eine Einwilligung erforderlich ist, oder ob die Verarbeitung ggf. auf die flexiblere Rechtsgrundlage des legitimen Interesses gestützt werden kann, hat die Regierung dem neuen Gesetzesentwurf in Anhang 1 eine Liste angefügt. Sie führt auf, unter welchen Voraussetzungen sie ein legitimes Interesse an der Datenverarbeitung anerkennt. Zum Beispiel für die nationale und öffentliche Sicherheit und zur Verteidigung („national security, public security and defence“), oder zum Erkennen, Ermitteln und Verhindern von Straftaten („detecting, investigating or preventing crime“).  

Benennung eines „Senior Responsible Individual“ statt eines Datenschutzbeauftragten 

Die Pflicht zur Ernennung eines Datenschutzbeauftragten soll vor allem für kleine Unternehmen wegfallen. Stattdessen sollen Behörden und Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen eine „leitende verantwortliche Person“ („Senior Responsible Individual“) bestimmen. Sie wäre zuständig für die Datenschutzrisiken innerhalb der Organisation sowie für die Delegierung der erforderlichen Aufgaben an angemessen fähige Personen. Diese Person soll zum „Senior Management“ gehören, und damit eine signifikante Rolle in der Entscheidungsfindung über Verarbeitungsaktivitäten in der Gesamtheit oder wesentlichen Teilen der Organisation einnehmen.  

Sie wäre verantwortlich für die Durchführung oder Delegierung folgender Aufgaben:  

  • Überwachung der Datenschutz-Compliance mit geltenden Gesetzen;  
  • sicherstellen, dass der Verantwortliche Maßnahmen zur Einhaltung der Compliance entwickelt, implementiert und regelmäßig überprüft;  
  • Schulungen der Mitarbeiter;  
  • Bearbeitung von Beschwerden im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung;  
  • Bearbeitung von Datenpannen.  

Die Aufgaben der verantwortlichen Person des Senior Managements unterscheiden sich nach dem Gesetzesentwurf nicht wesentlich von den Aufgaben, die der Datenschutzbeauftragte nach der EU-DS-GVO übernimmt oder übernehmen kann. Der wesentliche Unterschied ist also die Zugehörigkeit zum Senior Management.  

Damit dürfte die Unabhängigkeit bzw. die Neutralität der verantwortlichen Person in Frage stehen, denn als Teil des Senior Managements hat sie, im Gegensatz zu einem unabhängigen oder gar externen Datenschutzbeauftragten, wohl ein erhebliches Interesse daran, Datenverarbeitungen ohne größere Hürden zu ermöglichen. Auch wenn die verantwortliche Person ihre Aufgaben an andere fähige Personen des Unternehmens delegieren kann, so besteht doch die Befürchtung, dass künftig die ein oder andere Datenverarbeitung aufgrund des Interesses des Unternehmens eher durchgewunken wird, als wenn ein externer Datenschutzbeauftragter beraten hätte. 

Auch im Hinblick auf die Konsumenten sollen Hürden genommen und Verarbeitungen vereinfacht werden.  

Opt-Out-Verfahren statt Opt-In-Verfahren bzgl. Cookies 

Die Zustimmung zur Cookies-Nutzung auf Websites soll von dem derzeitigen Opt-In-Verfahren in ein Opt-Out-Verfahren umgewandelt werden. Dies solle Nutzern helfen, sich nicht durch zahlreiche Zustimmungsbanner klicken zu müssen und dadurch mögliche Frustration verhindern. Ähnlich wie bei dem Deutschen Verfahren „PIMS“ („Personal Information Management System“) nach dem TTDSG, soll es zudem eine generelle Verwaltungsmöglichkeit und Übersicht über die Datenverarbeitung in den Browser-Einstellungen geben, sodass eine Einwilligung auf jeder einzelnen Website überflüssig werde.  

Soft-Opt-In für Marketing-Maßnahmen durch nicht-kommerzielle Organisationen 

Eine weitere Änderung sieht das neue Gesetzesvorhaben im Rahmen des sog. „Soft-Opt-In“ vor. „Soft-Opt-In“ ermöglicht Direktwerbung an bestehende Kunden zu senden, die dem nicht unbedingt ausdrücklich zugestimmt haben. Bisher war diese Möglichkeit des Marketings nicht-kommerziellen Organisationen verwehrt, nun soll eine Erweiterung diesbezüglich stattfinden. 

Gemeinsames Vorhaben von UK und USA, aber Sanktionen für Datenschutzverstöße wie in der EU 

Bemerkenswert ist auch ist ein geplantes Vorhaben des Vereinigten Königreichs in Kooperation mit den USA. Die beiden Länder gaben in einem gemeinsamen Statement im Juli 2022 bekannt, dass sie den Zugriff auf Daten, welche strafrechtlich relevant sind, zwischen den Staaten erleichtern möchten. Ziel sei es, schwere Kriminalität zu bekämpfen, aber gleichzeitig die demokratischen Standards zu wahren. 

Annäherungen an die Europäische Union gäbe es nach dem Gesetzesentwurf jedoch in Sachen Sanktionen. Das derzeitige Maximum von £ 500.000 soll auf bis zu 4% des Jahresumsatzes eines Unternehmens oder max. £17.5 Mio. erhöht werden. Dies entspricht den vergleichbaren Regelungen der EU-DS-GVO in Art. 83. 

Neue Regelungen in der Schweiz 

Im Gegensatz zum Vereinigten Königreich regelt die Schweiz die Dinge hingegen positiv. Das neue Datenschutzgesetz (DSG) und die Ausführungsbestimmungen in der neuen Datenschutzverordnung (DSV) der Schweiz soll am 01.09.2023 in Kraft treten. Die wichtigste Neuerung umfasst die Forderung nach erhöhter Transparenz und Stärkung der Rechte der betroffenen Personen.  

Ausweitung der Informationspflichten gegenüber Betroffenen 

Die erhöhte Transparenz soll unter anderem durch eine Erweiterung der Informationspflichten gewährleistet werden. Diese sind vergleichbar mit den Pflichten aus Art. 13/14 EU-DS-GVO. Ab September nächsten Jahres soll nun auch eine Informationspflicht für die Verarbeitung jeglicher personenbezogenen Daten gelten. Bisher galt dies nur für die Verarbeitung besonders schützenswerter Daten und die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen. Außerdem soll die betroffene Person von der verantwortlichen Stelle darüber informiert werden, wenn eine Entscheidung ausschließlich auf automatisierter Verarbeitung beruht. Zusätzlich soll die betroffene Person auch fordern können, dass eine Einzelentscheidung von einer natürlichen Person überprüft werden soll. Eine Einwilligung soll auf jeden Fall bei sog. „Profiling mit hohem Risiko“ notwendig sein. 

Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses aller Verarbeitungstätigkeiten 

Vergleichbar mit der aus der EU-DS-GVO bekannten Pflicht zur Führung eines Verzeichnisses aller Verarbeitungstätigkeiten, sollen auch nach dem neuen Schweizer DSG alle Datenverarbeitungen vom Verantwortlichen Auftragsbearbeiters (in der EU-DS-GVO Auftragsverarbeiter) dokumentiert werden („Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeiten“). Sinngemäß enthalten die Verzeichnisse dieselben Inhalte und Informationen wie sie aus Art. 30 EU-DS-GVO bereits bekannt sind.  

Gesetzliche Regelung der Rolle des Auftragsverarbeiters & Auftragsverarbeitungsvereinbarung 

Die Rolle des Auftragsbearbeiters ist dabei neu und entspricht dem klassischen Auftragsverarbeiter im Sinne der EU-DS-GVO. Die Verarbeitung darf an einen Auftragsbearbeiter nur vertraglich oder durch Gesetz übertragen werden.

Eine weitere Übertragung der Verarbeitung durch den Auftragsbearbeiter an einen Dritten muss vorab durch den Verantwortlichen genehmigt werden. In der DSV finden sich ergänzende Regelungen zu dem dann erforderlichen Vertrag zwischen dem Verantwortlichen und Auftragsbearbeiters.

Die verpflichtenden Inhalte stimmen im Wesentlichen mit den Anforderungen der EU-DS-GVO überein, z.B.: Kategorien der Personendaten sowie der betroffenen Personen; Art und Zweck der Bekanntgabe von Personendaten („Zweck der Verarbeitung“), Datentransfers in weitere Staaten, Empfänger oder Kategorien von Empfänger (bspw. Unter-Auftragsbearbeiter), Anforderungen an Aufbewahrung, Löschung und Vernichtung der Daten, Verpflichtung angemessene Maßnahmen zur Einhaltung der vertraglichen Klauseln.  

Pflicht zur Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung 

Hinzu kommt – ebenfalls in Anlehnung an die EU-DS-GVO – die Pflicht zur Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung. Auch hier entsprechen die schweizerischen Regelungen im Wesentlichen denen des Art. 35 EU-DS-GVO.  

Erhöhung der Sanktionen für Datenschutzverstöße 

Hier hält es die Schweiz wie die UK: Die Sanktionen für Verstöße sollen verschärft werden. Sie erreichen aber bei weitem nicht das Niveau der auf EU-Ebene geregelten Sanktionen. Zwar ist die Rede von „privaten Personen“, jedoch dürfen hier nicht Privatpersonen darunter verstanden werden.

Vielmehr sind hierunter die juristischen Personen des Privatrechts der Schweiz zu verstehen, denn das DSG findet Anwendung auf private Personen und Bundesorgane. Für etwaige Pflichtverletzungen können schweizerische Unternehmen künftig also mit Bußen bis zu 250.000 Franken belegt werden.

Dieser Höchstsatz gilt insoweit für sämtliche mögliche Verfehlungen, also insbesondere Verletzung Informations-, Auskunfts- und Mitwirkungspflichten sowie von Sorgfaltspflichten (hier auf Antrag) und Verletzungen der beruflichen Schweigepflicht sowie bei Missachtung von Verfügungen.

Bei dem derzeitigen Wechselkurs (Stand 26.09.2022) entsprächen 250.000 Franken in etwa 261.977,50 €. Im Vergleich zu den EU-DS-GVO Höchstsätzen von 10 Millionen bzw. 20 Millionen Euro also nur ein Bruchteil.  

Gebührenpflichtige Unterstützung des EDÖB 

Auffällig ist hingegen, dass im Gegensatz EU-DS-GVO oder bspw. dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz, der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte („EDÖB“) Gebühren für bestimmte Leistungen verlangen. Zum Beispiel für: Stellungnahmen zu einem Verhaltenskodex, Genehmigungen von Standarddatenschutzklauseln und verbindlichen unternehmensinternen Datenschutzvorschriften, Konsultation aufgrund einer Datenschutz-Folgenabschätzung, Beratung in Fragen des Datenschutzes.

Hier bleibt nur zu hoffen, dass die Gebührenforderungen am Ende nicht zu einem Hindernis für den Datenschutz und die Einhaltung durch die schweizerischen Unternehmen werden. 

Fazit 

Während das Vereinigte Königreich einen eher unternehmensfreundlichen Kurs einschlägt, passt sich die Schweiz mehr den konsumentenfreundlichen Regelungen der EU an und nimmt viele Bestimmungen der EU-DS-GVO in das neue DSG auf.  

Die wesentlichen Änderungen bzw. Angleichungen sollen anhand der nachfolgenden Tabelle veranschaulicht werden.

 

Vergleichstabelle

EU-DS-GVO

Vereinigtes Königreich

Schweiz

Art. 5 I lit. b) 

Grundsatz der Zweckbindung 

Erweiterung um Faktoren, die beachtet werden sollen, wenn ein neuer Zweck hinzukommen soll 

Art. 6 Abs. 1 f) 

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung 

Abwägung des Verantwortlichen, ob Interessen an Verarbeitung personenbezogener Daten die Rechte der betroffenen Personen überwiegen 

Liste von berechtigten Interessen, für deren Verarbeitung das Erfordernis der Abwägung entfällt 

Direktmarketing

„Soft-Opt-In“ nun auch für nicht-kommerzielle Organisationen 

Art. 13/14  

Informationspflichten

Abschaffung von Informationspflichten ggü. Betroffenen bzgl. automatisierter Entscheidungsfindung

Informationspflicht nun auch für Verarbeitung jeglicher personenbezogenen Daten

Art. 27 

Ernennung eines EU-Vertreters 

Anforderung aus Art. 27 EU-DS-GVO wurde gestrichen (Paragraf 13 DPDI) 

Wegfall der Pflicht der Ernennung eines Datenschutzbeauftragten für (kleine) Unternehmen 

Benennung eines Vertreters in Schweiz, wenn Verantwortliche nicht in Schweiz ansässig 

Art. 28 

Auftragsverarbeitung 

Auftragsbearbeiter und Vertrag zur Auftragsbearbeitung 

Art. 32 

Technische und organisatorische Maßnahmen (TOMs) 

Verankerung von TOMs 

Art. 35, 36 

Datenschutzfolgenabschätzung 

Wenn Verarbeitung wahrscheinlich zu hohem Risiko für Einzelnen führt 

Anforderung einer vorherigen Konsultation abgeschafft, ersetzt durch freiwilligen Konsultationsprozess (Paragraf 17, 18 DPDI) 

Datenschutzfolgenabschätzung

Art. 83  

Geldbußen 

Im Fokus Unternehmen 

Bis zu 20 Mio. € oder 4% des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes eines Unternehmens 

Erhöhung der Bußgelder 

Derzeitiges Maximum bei £ 500.000  

Annährung an EU-DSGVO 

Bis zu 4% des Jahresumsatzes oder £17.5 Mio. 

 

Verschärfung der Sanktionen 

Aber nicht vergleichbar mit Höhe der Geldbußen aus DSGVO 

Bis zu 250.000 Franken 

NOCH FRAGEN?

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Sind Adresshandel und Datenschutz noch vereinbar?

Adresshandel

Einzig die Datenschutzbehörde aus NRW hält an den Regelungen von § 28 BDSG fest.

Adresshandel

Sind Adresshandel und Datenschutz noch vereinbar?

Einführung

An wen verschicken Sie Ihre Werbemailings, wenn Sie entweder noch gar keine Kundenadressen haben oder Ihren Kundenkreis erweitern wollen?

Sie kaufen sich einfach Empfängeradressen und wandeln, wenn das Werbemailing erfolgreich war, die gekauften Adressen in konkrete Kundenadressen um.

Genau diese Möglichkeit des Adresskaufs und damit der Kundengewinnung steht gerade auf der Kippe. Obwohl es weit verbreitete Geschäftspraxis ist und bislang unter der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auch als allgemein zulässig gilt, sprachen sich kürzlich einige Datenschutzbeauftragte der Länder dagegen aus.

Ist das das Aus des Adresshandels und somit das des Direktmarketings?

Was bedeutet Adresshandel?

Adresshandel bezeichnet den An- und Verkauf von Postadressen deutscher Haushalte und ist damit wichtiger Teil des Direktmarketings von Unternehmen. Adressagenturen stellen möglichst aktuelle Adressdaten zusammen, aus denen sich Unternehmen passgenau ihre Zielgruppe herausfiltern können. An diese Adressen verschicken sie dann maßgeschneiderte Werbung wie z.B. Flugblätter, um im Idealfall die Empfänger zu neuen Kunden zu machen. Es ist quasi die analoge Version von individualisierten Werbeanzeigen im Internet, welche anhand von Analysen des Nutzerverhaltens geschaltet werden.

Ist Adresshandel mit der DS-GVO und dem BDSG vereinbar?

Bislang galt der Adresshandel unter der DS-GVO und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) deshalb als allgemein zulässig, da hierfür berechtigte Geschäftsinteressen der Unternehmen (Erweiterung des Kundenstammes) vorliegen, die die individuellen Einwilligungen der Betroffenen entbehrlich machen. Geregelt ist dies in § 28 BDSG. 

Der Großteil der Datenschutzbehörden der Länder spricht sich nun aber gegen eine allgemeine Zulässigkeit aus und verlangt eine vorherige freiwillige Einwilligung der betroffenen Personen, bevor deren Adressen an Unternehmen verkauft werden. Die Geschäftsinteressen der ankaufenden Unternehmen reichen ihrer Ansicht nach nicht aus und würden den Schutz der persönlichen Daten der Betroffenen nicht überwiegen. Das liegt unter anderem daran, dass Privatpersonen Direktwerbung als Folge des Adresshandels eher als störend empfinden und sich oftmals fragen, woher die werbenden Unternehmen ihre Adressen überhaupt haben.

Setzen sich die Datenschützer durch, bedeutet das für die Praxis, dass der Adresshandel in der derzeitigen Form kaum noch stattfinden kann, da die Einholung einer vorherigen Einwilligung nahezu unmöglich wäre. Denn:

  • Privatpersonen würden dem Verkauf ihrer Adressen auf Nachfrage der Adresshändler wohl eher selten zustimmen.
  • Auch wenn Privatpersonen ihre Adressdaten im Rahmen eines Geschäftsabschlusses im Internet für den Verkäufer bereitstellen, folgt daraus nicht, dass sie auch der Verwendung ihrer Adresse durch andere Unternehmen zustimmen.

Einzig die Datenschutzbehörde aus NRW schließt sich dieser Ansicht der Datenschutzbeauftragten der Länder nicht an. Sie hält die derzeitige Praxis des Adresshandels für zulässig und die Bedenken für unbegründet. Dieser Meinung folgt auch der Deutsche Dialogmarketingverband (DDV), welcher die Auffassung der Datenschutzbeauftragten der übrigen Länder nur für eine von vielen möglichen Rechtsmeinungen hält.

Wie geht es nun weiter?

Der Adresshandel soll nach Angaben der Berliner Datenschutzbehörde auch Thema der nächsten bundesweiten Datenschutzkonferenz (DSK) im November 2022 werden. Wir müssen abwarten, ob und mit welchem Inhalt die DSK einen Beschluss in Bezug auf den Adresshandel erlassen wird. Bis dahin bleibt alles beim Alten und Unternehmen können ihr derzeitiges Direktmarketing problemlos weiterführen.

Was passiert jedoch, wenn die DSK einen ablehnenden Beschluss erlassen sollte? Können die bisher gekauften Adressen noch weiterverwendet werden?

Die Antworten auf diese Fragen sind noch ungewiss und können derzeit noch nicht abschließend getroffen werden. Zwar sind die Beschlüsse der DSK rechtlich nicht bindend, aber sie haben maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Datenschutzrechts in Deutschland und sollten deshalb auch genauestens verfolgt werden. Verbindliche Änderungen treten dann erst mit möglichen Anpassungen der DS-GVO und des BDSG ein.

Fazit

Die Bedenken der Datenschutzbeauftragten sagen erst einmal nichts über die Zulässigkeit des Adresshandels aus. Dieser ist nach der derzeitigen Rechtslage mit dem Datenschutzrecht vereinbar und wird auch nicht automatisch durch einen möglichen Beschluss der DSK unzulässig.

Dennoch heißt es abwarten, wie sich die Vereinbarkeit von Datenschutz und Adresshandel weiterentwickelt. Ob sich die DSK in Zukunft konkret gegen den Adresshandel aussprechen wird und wie sich dies auf die Rechtslage auswirkt, wird noch spannend. Vor allen Dingen für Adresshändler und für (junge) Unternehmen, die zu Werbezwecken Adressdaten kaufen.

Haben Sie hierzu noch gezielte Fragen? Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartnerin: RAin Lena Wassermann

NOCH FRAGEN?

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Geschäftsführer einer GmbH haften persönlich bei Datenschutzverstoß

Beschäftigtendatenschutz

Die Kernaussage der DSG-VO hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutz laut §26 BDSG und der Umgang mit besonderen Situationen

Beschäftigtendatenschutz

Beschäftigtendatenschutz: Was darf der Chef?  

Einführung  

Beschäftigtendatenschutz und Datenschutzverstoß: Es geht um die Überwachung der Mitarbeitenden. Wie weit darf sie gehen, wo sind die Grenzen und welches Gesetz regelt es. Anders gefragt: was darf der Chef? 

Noch gibt es kein eigenes Gesetz, dafür aber zahlreiche Regelungen, die Anhaltspunkte liefern. Die Verhandlungen in Richtung einheitliches Beschäftigtenschutzgesetz laufen jedoch wieder an, nachdem der letzte Entwurf von 2010 nie verabschiedet wurde. Bisher hat nur Finnland ein solches Beschäftigtendatenschutzgesetz, die übrigen EU-Länder arbeiten mit Einzelfallregelungen. 

Es gilt also, die aktuellen Entwicklungen auf dem Schirm zu halten. Aktuell regelt insbesondere die DSG-VO den Beschäftigtendatenschutz. Sollte es aber zu einem eigenen Gesetz kommen, müsste die DSG-VO weiter konkretisiert werden.  

Wo stehen wir im Beschäftigtendatenschutz derzeit? 

Die Kernaussage der DSG-VO hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutz laut §26 BDSG ist, dass personenbezogene Daten der Arbeitnehmer erhoben werden dürfen, wenn sie für die Erfüllung, Aufnahme oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Die Erhebung bedarf dann nicht der Einwilligung des Betroffenen.  

Darunter fallen  

  • Bewerberdaten
  • allgemeine Personen- und Kontaktdaten 
  • Kontoverbindung 
  • Tätigkeitsprofil bzw. Position 
  • Gesundheitsdaten 
  • Religionszugehörigkeit (notwendig für die Lohnabrechnung) 

Für die Erhebung darüberhinausgehender Daten bedarf es möglicherweise der Einwilligung des Betroffenen.  

Warum brauchen wir ein Beschäftigtendatenschutzgesetz? 

Die Frage ist: Wie soll mit besonderen Situationen umgegangen werden? Wie steht es z.B. mit der Videoüberwachung in der Produktion? Darf der Chef die Emails lesen, die vom Arbeitsrechner aus versendet werden? Darf er die Chronik der Internetnutzung überwachen?  

Die allgemein gehaltenen Regelungen der DSG-VO sind wenig konkret und nur bedingt für Einzelfälle ausgelegt, sie decken eher Standardsituationen ab. Es ist schwer zu klären, welche Daten denn nun wirklich für die Erfüllung, Aufnahme oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich sind.  

Die Interessen von Beschäftigten und Vorgesetzten können sehr weit auseinander liegen. Missbrauchsmöglichkeiten gibt es auf beiden Seiten. 

Das entscheidende Argument für mehr Beschäftigtendatenschutz ist das Machtgefälle zwischen Beschäftigten und ihren Vorgesetzten. Hier kann man nicht von „gleichem Recht für alle“ sprechen. Die Abhängigkeit von Lohn und Arbeitsplatz drängen den Beschäftigten in eine unsouveräne Rolle und lassen ihn manch bittere Pille schlucken aus Angst vor Konsequenzen. Eine solche bittere Pille sind z.B. Daten, die über ihn erhoben werden, gegen die er sich aber nicht zu wehren traut.  

Ein Gesetz könnte Klarheit und Schutz für alle Beteiligten schaffen.  

Ausblick 

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegründete unabhängige Beirat und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben Empfehlungen und Vorschläge ausgearbeitet, die jedoch zum Teil nicht sehr detailreich ausfallen. Bei der Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber also noch ein großer Spielraum offen.  

Immerhin, die Empfehlungen und der Gesetzesentwurf wurden bereits veröffentlicht (s.u.). Vor dem Hintergrund der Festlegung im Koalitionsvertrag rückt es in den Bereich des Möglichen, dass ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode erlassen werden könnte. Mal sehen, wie der Gesetzgeber die Entwürfe ausarbeitet und was Bundestag und Bundesrat dazu sagen. 

Wenn Sie weiterführende Fragen zum Thema Beschäftigtendatenschutz haben, zögern Sie nicht, uns anzusprechen.  

Downloads

DGB-Entwurf-eines-Beschaeftigtendatenschutzgesetzes

Ergebnisse-Beirat-Beschaeftigtendatenschutz

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Beschäftigtendatenschutz: Was darf der Chef?

Beschäftigtendatenschutz

Die Kernaussage der DS-GVO hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutz laut §26 BDSG und der Umgang mit besonderen Situationen

Beschäftigtendatenschutz

Beschäftigtendatenschutz: Was darf der Chef?  

Einführung  

Beschäftigtendatenschutz: Es geht um die Überwachung der Mitarbeitenden. Wie weit darf sie gehen, wo sind die Grenzen und welches Gesetz regelt es. Anders gefragt: was darf der Chef? 

Noch gibt es kein eigenes Gesetz, dafür aber zahlreiche Regelungen, die Anhaltspunkte liefern. Die Verhandlungen in Richtung einheitliches Beschäftigtendatenschutzgesetz laufen jedoch wieder an, nachdem der letzte Entwurf von 2010 nie verabschiedet wurde. Bisher hat nur Finnland ein solches Beschäftigtendatenschutzgesetz, die übrigen EU-Länder arbeiten mit Einzelfallregelungen. 

Es gilt also, die aktuellen Entwicklungen auf dem Schirm zu halten. Aktuell regelt insbesondere die DS-GVO den Beschäftigtendatenschutz. Sollte es aber zu einem eigenen Gesetz kommen, müsste die DS-GVO weiter konkretisiert werden.  

Wo stehen wir im Beschäftigtendatenschutz derzeit? 

Die Kernaussage der DS-GVO hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutz laut §26 BDSG ist, dass personenbezogene Daten der Arbeitnehmer erhoben werden dürfen, wenn sie für die Erfüllung, Aufnahme oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Die Erhebung bedarf dann nicht der Einwilligung des Betroffenen.  

Darunter fallen  

  • Bewerberdaten
  • allgemeine Personen- und Kontaktdaten 
  • Kontoverbindung 
  • Tätigkeitsprofil bzw. Position 
  • Gesundheitsdaten 
  • Religionszugehörigkeit (notwendig für die Lohnabrechnung) 

Für die Erhebung darüberhinausgehender Daten bedarf es möglicherweise der Einwilligung des Betroffenen.  

Warum brauchen wir ein Beschäftigtendatenschutzgesetz? 

Die Frage ist: Wie soll mit besonderen Situationen umgegangen werden? Wie steht es z.B. mit der Videoüberwachung in der Produktion? Darf der Chef die Emails lesen, die vom Arbeitsrechner aus versendet werden? Darf er die Chronik der Internetnutzung überwachen?  

Die allgemein gehaltenen Regelungen der DS-GVO sind wenig konkret und nur bedingt für Einzelfälle ausgelegt, sie decken eher Standardsituationen ab. Es ist schwer zu klären, welche Daten denn nun wirklich für die Erfüllung, Aufnahme oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich sind.  

Die Interessen von Beschäftigten und Vorgesetzten können sehr weit auseinander liegen. Missbrauchsmöglichkeiten gibt es auf beiden Seiten. 

Das entscheidende Argument für mehr Beschäftigtendatenschutz ist das Machtgefälle zwischen Beschäftigten und ihren Vorgesetzten. Hier kann man nicht von „gleichem Recht für alle“ sprechen. Die Abhängigkeit von Lohn und Arbeitsplatz drängen den Beschäftigten in eine unsouveräne Rolle und lassen ihn manch bittere Pille schlucken aus Angst vor Konsequenzen. Eine solche bittere Pille sind z.B. Daten, die über ihn erhoben werden, gegen die er sich aber nicht zu wehren traut.  

Ein Gesetz könnte Klarheit und Schutz für alle Beteiligten schaffen.  

Ausblick 

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegründete unabhängige Beirat und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben Empfehlungen und Vorschläge ausgearbeitet, die jedoch zum Teil nicht sehr detailreich ausfallen. Bei der Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber also noch ein großer Spielraum offen.  

Immerhin, die Empfehlungen und der Gesetzesentwurf wurden bereits veröffentlicht (s.u.). Vor dem Hintergrund der Festlegung im Koalitionsvertrag rückt es in den Bereich des Möglichen, dass ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode erlassen werden könnte. Mal sehen, wie der Gesetzgeber die Entwürfe ausarbeitet und was Bundestag und Bundesrat dazu sagen. 

Wenn Sie weiterführende Fragen zum Thema Beschäftigtendatenschutz haben, zögern Sie nicht, uns anzusprechen.  

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GmbH: Online-Gründung bald möglich

online-gründung gmbh

Ab August 2022 tritt das DiRUG in Kraft und bestimmte Kapitalgesellschaften können durch ein notarielles Online-Verfahren gegründet werden. Damit schafft die neue Richtlinie erhebliche Erleichterung bei Geschäftsgründungen, von der in erster Linie Start-ups und kleine Unternehmen profitieren.

online-gründung gmbh

Stand April 2022

Bald ist sie möglich:
Die Online-Gründung von GmbH und UG (haftungsbeschränkt)  

Einführung 

Bereits 2019 trat die europäische Digitalisierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1151) in Kraft, welche als Teil des Company Law Packages der EU den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht ermöglichen soll. Die Richtlinie ergänzt die Gesellschaftsrechtsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2017/1132) aus dem Jahr 2017 und ändert deren Vorgaben in einigen Punkten ab.  

Es galt die Inhalte der Richtlinie bis zum 31. Juli 2021 in nationales Recht umzuwandeln. Auf Antrag der deutschen Regierung wurde der Bundesrepublik jedoch eine einjährige Verlängerung gewährt. Im Juni 2021 wurde sodann das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtline (DiRUG) von Bundestag und Bundesrat beschlossen und tritt zum 01. August 2022 in Kraft.  

Kern des neuen Gesetzes ist die Möglichkeit der schnelleren und vor allem deutlich vereinfachten Online-Gründung von Kapitalgesellschaften, insbesondere von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) und Unternehmensgesellschaften (UGs – haftungsbeschränkt).  

In diesem Beitrag gehen wir auf die kommenden Neuerungen durch das DiRUG ein, wobei der Fokus auf der Online-Gründung der GmbH und der UG (haftungsbeschränkt) liegt.

Möglichkeit der Online-Gründung von GmbHs und UGs (haftungsbeschränkt) 

Die Digitalisierungsrichtlinie hat zwei Grundaussagen bzgl. der Online-Gründung getroffen:  

  1. Es soll die Online-Gründung ohne physische Präsenz vor dem Notar oder der Notarin ermöglicht werden, und 
  2. das Gründungsverfahren soll innerhalb einer kurzen Zeit abgeschlossen sein. 

Konkret bedeutet letzteres, dass der Gründungsprozess innerhalb von fünf Arbeitstagen realisiert werden soll, sofern die Gründer und Gründerinnen natürliche Personen sind und Musterformulare verwendet werden.  

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, darf das Gründungsverfahren nicht länger als zehn Arbeitstage dauern. Zweck der Neuerungen ist es, Zeit- und Verwaltungsaufwand bei der Gründung zu reduzieren, aber gleichzeitig die bei Präsenzterminen übliche Rechtssicherheit zu wahren. 

Während Gründern einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) der bislang übliche Gang zum Notar oder Notarin künftig erspart werden kann, ist die Anwesenheit eines Notars/Notarin dennoch Voraussetzung. Die Möglichkeit eines virtuellen Zusammenkommens schafft ein eigens dafür angelegtes Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer.  

Durch das Kommunikationssystem der Bundesnotarkammer können die Parteien in Echtzeit miteinander sprechen und Dokumente und Vertragsentwürfe übermitteln.  

Die Niederschrift des Gründungsvertrages erfolgt beim Online-Gründungsverfahren elektronisch und die Unterschriften werden durch qualifizierte elektronische Signaturen ersetzt, welche durch das System zur Verfügung gestellt werden.  

Nicht zugelassen für die Online-Gründung einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) ist die Verwendung marktüblicher Videokommunikationssysteme. Zum einen bleibt auf diese Weise der hoheitliche Charakter gewahrt, zum anderen wird dadurch sichergestellt, dass Dritte keinen Zugriff auf die sensiblen Daten bekommen.

Teilnahme nur mit sicherem Identitätsnachweis

Um an dem digitalen Verfahren teilzunehmen, müssen sich die Beteiligten sicher identifizieren können. Für diese elektronische Identifikation ist ein elektronischer Identitätsnachweis erforderlich, wie bspw. der Personalausweis mit eID-Funktion.  

Der Notar oder die Notarin gleicht nach dem Einlesen des Identitätsnachweises das Lichtbild mit dem Erscheinungsbild der Beteiligten ab. Die Bundesnotarkammer hat für das Einlesen des Identitätsnachweises eigens eine kostenfreie App zur Verfügung gestellt. 

Des Weiteren kommt das digitale Gründungsverfahren nur in Betracht, wenn es sich um eine Bargründung handelt, d.h. die Gesellschafter und Gesellschafterinnen das Stammkapital durch die Zahlung gesetzlicher Zahlungsmittel (Bareinlagen) leisten, anstatt (auch) durch Sacheinlagen.  

Die Richtlinie hat es offengelassen, ob das digitale Gründungsverfahren auch für GmbHs und UGs (haftungsbeschränkt) mit Sacheinlagen oder andere Kapitalgesellschaften wie Aktiengesellschaften (AG) gestattet werden soll. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, sodass der Anwendungsbereich zunächst noch eingeschränkt ist.  

Diese Einschränkungen werden zusätzlich dadurch bestärkt, dass die Nutzung der zugelassenen elektronischen Identifikationsmittel den Bürgerinnen und Bürgern der EU-Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt.  Gesellschafter und Gesellschafterinnen aus Drittstaaten sind somit generell vom Online-Verfahren ausgeschlossen.

Weitere Änderungen durch das DiRUG 

Neben dem Online-Gründungsverfahren von GmbHs sieht das DiRUG aber noch weitere digitale Neuerungen vor.  

So können zukünftig Beglaubigungen mittels Videokommunikation durch den Notar durchgeführt werden. Dies gilt etwa für Handelsregistereintragungen durch Einzelkaufleute oder Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA oder durch deutsche und EU- oder EWG-Zweigniederlassungen) gem. § 12 Abs. 1 S. 2HGB n.F., oder die Beglaubigung einer elektronischen Signatur gem. § 40a BeurkG n.F.. 

Darüber hinaus wird die Registerpublizität neugestaltet. Es wird eine “register only”-Lösung eingeführt, welche besagt, dass Bekanntmachungen von Handelsregistereintragungen künftig nur noch durch das erstmalige Abrufen der jeweiligen Informationen über das Registerportal der Länder erfolgt.  

Dadurch sollen Redundanzen durch mehrfache Bekanntmachungen entfallen. Der Abruf der Daten aus dem Handelsregister wird gebührenfrei möglich sein. Damit dies umsetzbar ist, zahlen die eingetragenen Rechtsträger eine Bereitstellungsgebühr. 

Auch ein grenzüberschreitender Informationsaustausch über disqualifizierte Führungspersonen soll erfolgen.  

Das Unternehmensregister wird gem. § 9c HGB n.F. mit der Beantwortung von ausländischen Anfragen und der Weiterleitung von Informationsersuchen deutscher Gerichte betraut. Zudem werden gem. § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG n.F. bzw. § 76 Abs. 3 S. 3 AktG n.F. deutsche Geschäftsführer und Vorstände auch dann disqualifiziert, wenn ihnen im Ausland ein Berufs- oder Gewerbeverbot erteilt wurde. 

Zudem findet ein grenzüberschreitender Informationsaustausch über Zweigniederlassungen statt.  

Gem. § 13a HGB n.F. werden auch Informationen über ausländische Zweigniederlassungen in EU-/EWR-Staaten eingetragen, sofern sie von einer deutschen Kapitalgesellschaft errichtet wurden. Für ausländische Geschäftsführer und Vorstände entfällt zudem gem. § 37 Abs. 2 AktG n.F. analog bzw. § 8 Abs. 3 GmbHG n.F. analog das Erfordernis einer Versicherung über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen. Dies gilt jedoch nicht für die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten.

Fazit 

Dass die physische Anwesenheitspflicht beim Notar oder der Notarin entfällt, stellt schon mal eine erhebliche Entlastung dar, vor allem, wenn sich die Parteien an unterschiedlichen Orten oder in unterschiedlichen Ländern aufhalten. Die weiterhin notwendige notarielle Verlesung findet nun online statt. Auch die auf max. 10 Tage begrenzte Antrags-Bearbeitungszeit ist ein attraktiver Aspekt, mit dem sich eine Unternehmensgründung deutlich besser planen lässt. 

Schade ist, dass der deutsche Gesetzgeber wohl die zwingenden Vorgaben der Digitalisierungsrichtlinie umgesetzt hat, darüber hinaus aber keine Änderungen bspw. in Bezug auf Online-Gründungen von AGs vorgenommen hat.  

Außerdem ist lediglich das Gründungsverfahren in digitaler Form zugelassen, nicht jedoch spätere Satzungsänderungen oder Umwandlungsvorgänge.  

Insgesamt ist in Sachen Digitalisierung im Gesellschaftsrecht der Anfang gemacht und es bestehen noch große Ausbaumöglichkeiten. 

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BVerfG: Hetzkommentare in Sozialen Netzwerken sind nicht anstandslos hinzunehmen

BVerfG

Die Politikerin Renate Künast kann einen Etappensieg feiern: die Beschlüsse des Landgerichts und Kammergerichts Berlin, welche die Hetzkommentare größtenteils als hinnehmbar einstuften, wurden vom BVerfG jetzt aufgehoben.

BVerfG

Stand März 2022

BVerfG: Hetzkommentare in Sozialen Netzwerken sind nicht anstandslos hinzunehmen 

Einführung 

Gerade im Zeitalter der sozialen Medien stellt sich häufig die Frage, wie weit die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geht und was sich Empfänger von Hetzkommentaren alles gefallen lassen müssen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sich erneut mit dieser Frage beschäftigt. Dem einschlägigen Beschluss (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021, Az.: 1 BvR 1073/20) liegen zahlreiche beleidigende Kommentare auf Facebook zugrunde, die Anfang 2019 gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast gerichtet waren. Es fielen hierbei u.a. Ausdrücke wie “Pädophilen-Trulla”, “Gehirn Amputiert” und “Stück Scheiße”. Hiergegen wendete sich Frau Künast und verlangte von der Betreiberin der Social Media Plattform Facebook, dass diese die personenbezogenen Daten der Verfasserinnen und Verfasser der jeweiligen Kommentare gem. § 14 Abs. 3 Telemediengesetz in der alten (damals geltenden) Fassung (TMG a.F.; heute: § 21 Abs. 2, 3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG)) an sie herauszugeben, damit sie gegen sie rechtlich weiter vorgehen könnte. In erster und zweiter Instanz verweigerten jedoch sowohl das Landgericht (LG) als auch das Kammergericht (KG) Berlin die Auskunftsansprüche größtenteils, da sie in der Mehrheit der Kommentare keine Beleidigungen sahen. Grund dafür war zum Teil, dass die Äußerungen genügend Sachbezug zur erneut aufgekommenen „Pädophilie-Debatte“ aus dem Jahr 2015 hätten, in der es vorwiegend um die Haltung der „Grünen“ zur Pädophilie in den 1980er Jahren ging, so die Berliner Gerichte. 

Gegen die Berliner Beschlüsse legte Frau Künast Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. Im Folgenden wird der Beschluss des BVerfG erläutert und zudem darauf eingegangen, anhand welcher Kriterien eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit auf der einen Seite und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Sicht des BVerfG auf der anderen Seite stattzufinden hat.  

Entscheidung des BVerfG 

Nach Auffassung des Karlsruher Gerichts haben die vorinstanzlichen Gerichte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Politikerin gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht ausreichend berücksichtigt. Bei Hetzkommentaren, insbesondere wenn es um deren Zulässigkeit geht, sei immer zwischen Schmähkritik und anderen verletzenden Aussagen mit Sachbezug zu differenzieren. Schmähkritik bezeichnet dabei Äußerungen, bei denen die betroffenen Personen lediglich herabgewürdigt und diffamiert werden sollen, ohne dass die Aussage einen Sachbezug aufweist. Diese Aussagen sind nach ständiger Rechtsprechung stets als Beleidigungen i.S.d. § 185 Strafgesetzbuch (StGB) anzusehen und unterfallen daher nicht (mehr) der allgemeinen Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs.1 GG.  

Nach Ansicht des BVerfG seien die Berliner Richterinnen und Richter jedoch vorschnell und unzutreffend davon ausgegangen, dass einige Kommentare keine Beleidigungen i.S.d. § 185 StGB darstellen würden, nur weil sie keine Schmähkritik seien. Sofern die jeweiligen Aussagen keine Schmähkritik darstellen würden, sondern außerdem einen Sachbezug hätten oder zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen würden, müsse von den Gerichten in einem weiteren Schritt zwischen der Meinungsfreiheit der Verfasserin oder des Verfassers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Opfers abgewogen werden. Es gebe jedoch keine Vermutung eines generellen Vorrangs der Meinungsfreiheit, auch nicht bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen.  

Das LG und das KG hätten diese Abwägung aber gerade nicht vorgenommen, sondern mit der Begründung, dass bei den Kommentaren ein Sachbezug zur Pädophilie-Debatte aus 2015 vorläge, eine Schmähkritik und damit auch eine Beleidigung schließlich abgelehnt. Letzteres dürfe so aber per se nicht geschehen. Aufgrund dieses Abwägungsausfalls der Vorinstanzen hat das BVerfG mithin einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG festgestellt und deshalb die Beschlüsse der Berliner Gerichte (LG, Beschl. v. 07.09.2019, 21.01.2020, Az.: 27 AR 19/19; KG, Beschl. v. 11.03.2020, 06.04.2020, Az.: 10 W 13/20) aufgehoben. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung hierbei den Sachverhalt nicht in Gänze, sondern lediglich auf Grundrechtsverletzungen überprüft. Deshalb hat das BVerfG den Fall auch zur erneuten Prüfung des Auskunftsanspruchs gem. § 14 Abs. 3 TMG a.F. an das KG Berlin zurückverwiesen, sodass dieses sich nochmals mit den Hetzkommentaren im Einzelnen auseinandersetzen muss. 

Kriterien für die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht  

Das Karlsruher Gericht betonte in seinem Beschluss erneut (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.05.2020, Az.: 1 BvR 2397/19), auf welche Kriterien bei der Abwägung zwischen Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzustellen sei. Die hierbei nun mehr aufgestellten Punkte seien aber keinesfalls zwingend bei jeder Abwägung heranzuziehen, sondern sollen lediglich einen Leitfaden bilden. 

  1. Zunächst sei zu beachten, dass die Meinungsfreiheit umso stärker ins Gewicht falle, je mehr ein Beitrag oder eine Aussage darauf ziele, der öffentlichen Meinungsbildung zu dienen bzw. umso geringer, je mehr es davon unabhängig lediglich um die persönliche Meinung gegenüber einer anderen Person ginge. 
  2. Zudem sei es bedeutend, ob es sich bei der getroffenen Aussage um Machtkritik handele – denn diese sei besonders schutzwürdig. Politikerinnen und Politiker müssten für deren Art und Weise der Machtausübung auch angegriffen werden können. Jedoch folge daraus nicht, dass Amtsträgerinnen und Amtsträger vom Schutz vor Beleidigungen und Verächtlichmachungen ausgenommen seien. Deren Persönlichkeitsrechte seien ebenso hinreichend zu wahren wie die von jeder anderen Person auch.  
  3. Relevant sei des Weiteren, ob die Aussagen spontan gefallen seien oder ob sie mit Vorbedacht getätigt wurden. Äußerungen in sozialen Netzwerken seien nach Ansicht des BVerfG keine Spontanäußerungen, sondern solche mit Vorbedacht, für die ein strengerer Maßstab gelte. 
  4. In die Abwägung könne außerdem miteinfließen, wie viele Personen die Äußerungen zur Kenntnis genommen hätten und ob sie schriftlich fixiert und damit jederzeit abrufbar seien. 

Fazit 

Das KG Berlin muss sich im Ergebnis nochmals mit den Hetzkommentaren gegen Frau Künast auseinandersetzen und dabei nach Auffassung des BVerfG vermutlich zu einem anderen Ergebnis kommen. Es ist also festzuhalten, dass bisher noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Aussagen strafbar sind und ob Frau Künast einen Anspruch auf Herausgabe der Nutzerdaten hat. Das Karlsruher Gericht hat lediglich festgestellt, dass die vorherigen Beschlüsse Frau Künast in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen, weil keine ausreichende Abwägung mit der Meinungsfreiheit stattgefunden hat. Dennoch stellte das BVerfG auch klar, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sich nicht wie bisher häufig angenommen, alles bzw. mehr hetzerische Kritik gefallen lassen müssen, sondern gegen Beleidigungen ebenfalls geschützt sind. 

Mit seinem Beschluss stärkt das BVerfG mithin die Persönlichkeitsrechte von Opfern von Hasskommentaren. Gerichte sind nun dazu verpflichtet, in solchen Fällen eine ausführliche Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vorzunehmen.  

Bisher scheiterten zivilrechtliche Ansprüche meist daran, dass die Verfasserinnen und Verfasser von Hetzkommentaren sich im Internet hinter pseudonymisierten Usernamen versteckten und deshalb nicht identifizierbar waren. Durch den Beschluss könnte sich dies nun ändern, da nach der eingehenden Abwägung, jetzt häufiger Beleidigungen angenommen werden könnten, sodass auch häufiger Auskunftsansprüche nach § 21 Abs. 2, 3 TTDSG durchgesetzt werden könnten. 

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BGH zur Anpassung der Gewerberaummiete während des Lockdowns

BGH Gewerberaummiete

Der BGH hat nun geurteilt, dass eine Anpassung der Gewerbemiete wegen einer behördlichen Schließung aufgrund der Pandemie grundsätzlich möglich ist.

BGH Gewerberaummiete

Stand Februar 2022

BGH zur Anpassung der Gewerberaummiete während des Lockdowns  

Einführung  

Zu Anfang der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 wurde der gesamte Einzelhandel, mit Ausnahme von Geschäften für den täglichen Lebensbedarf, geschlossen, um eine Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Auch ein Bekleidungsgeschäft aus Sachsen musste aufgrund einer Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums vom 19.03.2020 bis zum 19.04.2020 sein Geschäft schließen und zahlte deshalb nicht die vereinbarte Miete in Höhe von 8.000 EUR für den Monat April. Hiergegen ging der Vermieter gerichtlich vor.  

In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) Chemnitz (Urt. v. 26.08.2020, 4 O 639/20) geurteilt, dass die vollständige Miete zu entrichten sei, auch wenn das Ladenlokal aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen bleiben musste. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden (Urt. v.  24.02.2021, 5 U 1782/20) sah den Fall hingegen anders und entschied, dass Mieter und Vermieter in einem solchen Fall das Risiko zu gleichen Teilen tragen und deshalb eine Mietzahlung von 50 % von dem Textilunternehmen zu entrichten sei. 

Mit diesem Ergebnis waren beide Parteien nicht einverstanden, sodass Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt wurde. Im Folgenden wird erläutert, wie der BGH sich in dem Fall entschieden hat (BGH, Urt. v. 12.01.2022, XII ZR 8/21). 

Entscheidung des BGH 

Ladenschließung als Mietmangel? 

Der BGH stellte zunächst klar, dass es sich bei einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung nicht um einen Mietmangel im Sinne des § 536 Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) handele und die Miete nicht deshalb zu kürzen sei. Ein Mietmangel könne immer nur dann angenommen werden, wenn die Gebrauchsfähigkeit der Mietsache eingeschränkt sei. Dies könne im Fall einer pandemiebedingten Schließung jedoch gerade nicht angenommen werden; die Geschäftsräume standen der Bekleidungskette weiterhin zur Verfügung. Die Gebrauchsbeschränkung hänge nicht unmittelbar mit der Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts zusammen, sondern untersage vielmehr nur für einen kurzen Zeitraum eine bestimmte Nutzungsart. Dem Textilunternehmen werde also nicht jegliche Art der Nutzung untersagt, noch werde dem Vermieter die tatsächliche oder rechtliche Überlassung der Mieträume verboten. 

Ladenschließung als Störung der Geschäftsgrundlage? 

Eine Anpassung der Höhe des Mietzinses sei jedoch gem. § 313 Abs. 1 BGB aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage möglich, so der BGH. Dem stehe auch nicht entgegen, dass in Art. 240 § 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) besondere Kündigungsregeln für die Zeit der Pandemie festgelegt wurden. Diese Beschränkung bestünde nur für Kündigungsfälle und treffe keine Aussagen über die Höhe der zu zahlenden Miete. Nach Ansicht der Karlsruher Richter könne eine Anpassung gem. § 313 Abs. 1 BGB stattfinden, wenn die sog. “große Geschäftsgrundlage” betroffen sei, also wenn sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages im Nachhinein bedeutend verändert hätten und die Sozialexistenz erschüttert würde.

Ein weiteres Indiz für die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage im Fall einer pandemiebedingten Schließung sei die (auf diesen Fall zwar nicht anwendbare) Neuregelung in Art. 240 § 7 EBGBG aus Dezember 2020, welche die Vermutung aufstellt, dass sich durch eine Geschäftsschließung aufgrund der COVID-19-Pandemie die Grundlage eines Gewerbemietvertrages grundlegend geändert habe. 

Darüber hinaus müsse das Festhalten am ursprünglichen Vertrag zumindest für eine Vertragspartei unter Berücksichtigung der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung nicht zumutbar erscheinen. Laut BGH könne für die staatlichen Eingriffe aufgrund der Pandemie in Form der Ladenschließungen und die folgenden Umsatzeinbrüche der Unternehmen keine der Mietparteien verantwortlich gemacht werden. Es habe sich einzig das allgemeinen Lebensrisiko verwirklicht, welches regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugerechnet werden kann.

Aus diesen Überlegungen folge jedoch nicht, dass Mietzahlungen im Falle eines pandemiebedingten Lockdowns stets zu kürzen bzw. anzupassen seien. Im Gegensatz zur pauschalen Risikoverteilung von 50 %, welche das OLG Dresden angeführt hat, ist der BGH der Ansicht, dass eine pauschale Herabsetzung nicht gerechtfertigt sei und stets eine ausführliche Prüfung des Einzelfalls stattfinden müsse, um zu bestimmen, ob dem Mieter die vollständige Zahlung  zumutbar sei.

Zu berücksichtigen seien hierbei unter anderem die Nachteile, die der Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer erlitten habe, die Höhe des Umsatzrückgangs, etwaige finanzielle Vorteile, die der Mieter aus staatlichen  Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Schließungen erhalten habe sowie Leistungen einer Betriebsversicherung.

Nicht zu berücksichtigen seien jedoch staatliche Darlehen, da sie zurückgezahlt werden müssen und deshalb keine vollständige Kompensation darstellen würden. Es sei zudem in die Beurteilung miteinzubeziehen, ob und welche Maßnahmen der Mieter zur Verhinderung der (drohenden) finanziellen Einbrüche geleistet habe oder hätte leisten können. 

Fazit 

Aufgrund dieser Überlegungen hat der BGH das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und das Gericht angewiesen, den Sachverhalt erneut zu prüfen. Das OLG ist nun angehalten, die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen der Betriebsschließung des Bekleidungsgeschäfts zu untersuchen und eine Anpassung der Miete für April 2020 vorzunehmen, sofern die ursprünglichen Konditionen nicht zumutbar erscheinen. Es bleibt nun das Urteil des OLG Dresden abzuwarten. 

Es ist festzuhalten, dass eine Anpassung der Gewerbemiete aufgrund einer hoheitlichen Schließungsanordnung im Rahmen der COVID-19-Pandemie gem. § 313 Abs. 1 BGB im Einzelfall vorgenommen werden kann. Ein genereller Anspruch auf eine Kürzung besteht jedoch nicht und pauschale Kürzungen um 50 % sind ebenfalls nicht gerechtfertigt; es bedarf vielmehr einer umfassenden Abwägung im Einzelfall.  

Für die Praxis empfiehlt es sich, bei Neuabschlüssen von Gewerbemietverträgen bereits im Vorhinein Regelungen zur Risikoverteilungen für solche Fälle zu treffen, in denen keine der Parteien für das Risiko verantwortlich ist, sich also das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht.  

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. 

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DS-GVO Zertifizierung von IT-Produkten und Dienstleistungen

DS-GVO Zertifizierung

Wir erklären Ihnen zusammengefasst den Vorgang einer DS-GVO-Zertifizierung für digitale Produkte und Dienstleistungen.

Stand Januar 2022

DS-GVO Zertifizierung für IT-Produkte und Dienstleistungen

Einleitung 

Dieses Jahr werden erste Stellen für die Zertifizierung von IT-Produkten und –Dienstleistungen akkreditiert. Diese Zertifizierung basiert auf der Datenschutzgrundverordnung und soll sicherstellen, dass digitale Produkte und Dienstleistungen datenschutzkonform umgesetzt wurden. Dafür wurde eine einheitliche Grundlage für ein europäisches Akkreditierungs- und Zertifizierungsverfahren geschaffen. 

Die Einrichtung einer DS-GVO-Zertifizierung wurde bereits seit 2016 immer wieder diskutiert, jedoch wurde man sich bisher nicht einig über die formalen und technischen Voraussetzungen. Diese Uneinigkeit wurde nun verwunden und man erwartet erste Zertifikatsausstellungen in der ersten Jahreshälfte. 

Doch wo erhält man für seine Produkte und Dienstleistungen oder sein Unternehmen die entsprechenden Zertifikate und was sind die notwendigen Voraussetzungen. 

Welche Voraussetzungen muss man für den Erhalt eines Zertifikats erfüllen? 

Haben Sie ein digitales Produkt oder eine digitale Dienstleistung, welches DS-GVO-konform zertifiziert werden soll, können Sie sich künftig an eine entsprechende Zertifizierungsstelle wenden.

Dafür stellen Sie einen Antrag für das Produkt oder die Dienstleistung, welche Sie zertifizieren lassen wollen. Im Rahmen der Überprüfung durch die Zertifizierungsstelle müssen kurz zusammengefasst folgende Angaben vom Antragssteller vorgelegt werden: 

  1. Beschreibung des Zertifizierungsgegenstands
  2. Angaben über die Verarbeitungsvorgänge u.a. hinsichtlich des Zwecks, des Empfängers oder welche Art von Daten verarbeitet werden 
  3. Angabe, ob personenbezogene Daten als Verantwortlicher oder als Auftragsverarbeiter verarbeitet werden 
  4. Angaben über ein Drittlandstransfer.

Im Anschluss erfolgt das Zertifizierungsprüfverfahren. Dieses Verfahren stellt eine datenschutzrechtliche Überprüfung dar, die geeignet sein muss, die ordnungsgemäße Umsetzung datenschutzrechtlicher Anforderungen sowie die Wirksamkeit technisch-organisatorischer Maßnahmen für den Zertifizierungsgegenstand festzustellen und zu belegen.

Dies erfolgt durch Inspektion aller relevanten Geschäftsprozesse, Dokumentenprüfungen, technischen und juristischen Analysen oder Vor-Ort-Begehungen. 

Sofern nicht gesondert geprüft und zugelassen, gilt die Zertifizierung zunächst nur deutschlandweit. 

Hinsichtlich der Kosten lässt sich bisher kein genauer Wert abzeichnen, da es maßgebend auf den Umfang des Prüfungsverfahren ankommt. Dies hat zugleich unmittelbar Auswirkungen auf die Dauer der Bearbeitung. 

Wie lange das Zertifikat wirksam ist, wurde nicht konkret benannt. Beachtet man die bisherigen Abläufe im Rahmen von Zertifizierungen nach der DS-GVO dann gilt gem. Art. 42 Abs.7 DS-GVO das Zertifikat für drei Jahre und kann unter denselben Bedingungen auch wieder verlängert werden. 

Welche Anforderungen werden an die Zertifizierungsstellen gestellt? 

Damit der zuvor erläuterte Zertifizierungsprozess vorgenommen werden kann, muss sich die Zertifizierungsstelle akkreditieren lassen. Der Akkreditierungsprozess einer Zertifizierungsstelle läuft gem. Art. 42, 43 DS-GVO ab und umfasst sechs Prüfungsphasen.

In Deutschland prüft die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkks) mit der entsprechenden Landesdatenschutzbehörde eingegangene Anträge und nimmt bei Erfüllung aller Prüfungsphasen sowie unter Berücksichtigung der Einschätzung des europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) eine Akkreditierung vor.

In NRW haben bereits mehrere Unternehmen diesen Akkreditierungsprozess beantragt und fast vollständig durchlaufen, sodass bald einige Zertifizierungsstellen ihre Arbeit aufnehmen können. 

Fazit – Braucht man das? 

Für ein Unternehmen kann sich die Zertifizierung im Rahmen von Kundengewinnung und Werbemaßnahmen durchaus vorteilhaft auswirken. Die betroffenen Personen erhalten somit einen schnellen Überblick über das Datenschutzniveau einschlägiger Produkte oder Dienstleistungen. 

Durch eine Zertifizierung wird somit das Vertrauen von Kunden in das Produkt schneller gewonnen als ohne. Denn man erhält nicht nur einen Datenschutznachweis auf dem Papier, sondern es wird auch gewährleistet, dass die technischen Voraussetzungen datenschutzkonform eingerichtet wurden. 

Andererseits bedeutet es natürlich mehr Arbeit und mehr Kosten. Zwingend erforderlich ist eine Zertifizierung nicht. Daher ist es eine Frage der Abwägung seitens des Unternehmens, ob dieser Weg beschritten wird oder eben nicht. Bei kleineren oder mittelgroßen Unternehmen ist eine Abwägung zwischen Kosten und Nutzen einer Zertifizierung besonders ausschlaggebend, da diese in der Regel hohe Zertifizierungskosten nicht aufwenden können. Daher soll dieser Umstand im Zertifizierungsverfahren besonders berücksichtigt werden gem. Art. 42 Abs.1 S.2 DS-GVO. 

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. 

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Bezahlen mit Daten nach der Neuerung des Schuldrechts

Bezahlen mit Daten

Durch die Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist das Bezahlen mit Daten im Gesetz aufgenommen worden und wurde dem Bezahlen mit Geld gleichgestellt. Auch hier gilt nun das Verbraucherschutzrecht.

Bezahlen mit Daten

Stand Januar 2022

Bezahlen mit Daten nach der Neuerung des Schuldrechts

Einführung 

Es ist bereits ständige Praxis, dass Social Media Angebote oder andere digitale Inhalte als “umsonst” oder “kostenlos” ausgeschildert werden, da kein Geld für die Leistungen verlangt wird.

Dennoch generieren die Anbieterinnen und Anbieter teils sehr große Umsätze im Zusammenhang mit diesen Angeboten. Das liegt daran, dass die Konsumenten zwar kein Geld für die Leistungen zahlen, aber ihre personenbezogenen Daten zur Verarbeitung freigeben. Sie zahlen also mit ihren Daten, welche die Unternehmen weiterveräußern oder anderweitig kommerzialisieren, um das Geschäft profitabel zu machen. Verarbeitung und Weiterveräußerung dienen meist der Platzierung von passgenauer Werbung.  

Bislang war die Rechtslage in solchen Fällen umstritten; es bestand weitgehend Uneinigkeit darüber, wie solche Verträge zivil- und auch datenschutzrechtlich einzuordnen waren, insbesondere ob und inwieweit das Verbraucherschutzrecht Anwendung finden sollte.

Die Rechtsunsicherheit rührte vor allem daher, dass es keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen gab. Dies ändert sich nun mit der Umsetzung der europäischen Richtlinie zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen (DIDRL (EU) 2019/770), welche am 01. Januar 2022 zur Umsetzung in nationales Recht in Kraft tritt.

Demnach ist das Bezahlen mit Daten künftig in §§ 312 Abs. 1a, 327 Abs. 3 BGB n.F. gesetzlich geregelt und sorgt vor allem für einen besseren Verbraucherschutz, da das gesamte Verbraucherschutzrecht nun Anwendung findet. Gleichzeitig wirft die neue Regelung aber auch einige datenschutzrechtliche Fragen auf.   

Auf die Neuregelungen und die von ihr aufgeworfenen datenschutzrechtlichen Fragen soll in diesem Beitrag eingegangen werden. 

Gleichstellung von Daten und Geld 

§ 312 Abs. 1a BGB n.F. besagt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher als vertragliche Gegenleistung personenbezogene Daten bereitstellen können, also die Herausgabe der Daten die Gegenleistung zur Bereitstellung einer Dienstleistung oder eines Produktes ist.

Demnach wird eine Geldzahlung mit der Herausgabe von Daten künftig gleichgestellt. Unternehmen unterliegen in diesen Fällen dann aber auch allgemeinen Informationspflichten gegenüber den Konsumenten ihrer digitalen Inhalte. Sie müssen die Hauptleistungspflichten des Vertrages genau benennen, also zuvor explizit darauf hinweisen, dass mit personenbezogenen Daten bezahlt wird. Darüber hinaus muss für Verbraucherinnen und Verbraucher klar erkennbar sein, zu welchen Zwecken ihre Daten verwendet werden. 

Aus der Neuregelung folgt zudem, dass das Verbraucherschutzrecht beim Bezahlen mit Daten unmittelbare Anwendung findet. Das heißt, dass die Verträge seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher beispielsweise innerhalb einer 14-tägigen Frist auch ohne Grund widerrufen werden können; gleichzeitig stehen Anbieterinnen und Anbietern aber auch Kündigungsrechte zu.

Die zivilrechtlichen Normen zum Verbraucherschutz finden allerdings keine Anwendung in Fällen, in denen die Bereitstellung der personenbezogenen Daten für die Erfüllung des Vertrages erforderlich ist und die Daten zu keinem anderen Zweck verarbeitet werden, vgl. § 327 Abs. 3 i.V.m. § 312 Abs. 1a S. 2 BGB n.F. 

Wahrung des Datenschutzes 

Neuregelungen bezüglich des Datenschutzes ergeben sich nicht aus der DIDRL. Der Datenschutz ist also anhand der Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu wahren.  

Bedürfnis einer Einwilligung oder einer anderen Erlaubnisgrundlage für die Datenverarbeitung? 

Offen ist, ob beim Bezahlen mit Daten eine Einwilligung oder eine andere Erlaubnisgrundlage zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b-f DS-GVO einzuholen ist. Zur Datenverarbeitung bedarf es immer einer konkreten Erlaubnis beziehungsweise eines konkreten erlaubten Anlasses, sodass dies auch für Verträge gilt, bei denen die Bereitstellung der Daten die vertragliche Gegenleistung darstellt.

Das neue Vertragsmodell stellt für sich also keinen eigenen Erlaubnistatbestand dar. In Betracht kommen in Fällen vom Bezahlen mit Daten vor allem die Verarbeitung zur Vertragserfüllung gem. Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. b DS-GVO, die Verarbeitung aufgrund berechtigter Interessen des Unternehmens gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO oder eine Einwilligung gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DS-GVO. 

Zunächst könnte im Falle des Bezahlens mit Daten daran gedacht werden, die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Konsumenten als für die Vertragserfüllung erforderlich und somit gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DS-GVO als gerechtfertigt anzusehen. Nach Einschätzung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) ist dies jedoch grundsätzlich zu verneinen (vgl. EDSA Guidelines 2/2019).

Es könne kaum argumentiert werden, dass der Vertrag über die Bereitstellung und Nutzung des jeweiligen Onlinedienstes nicht erfüllt worden sei, wenn bspw. keine personalisierte Werbung stattgefunden habe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Bereitstellung der Dienstleistung oder des Produktes mit der gezielten Werbung finanziert werde. Damit Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. b DS-GVO greife, müsse ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Datenverarbeitung und dem Zweck des Vertrages zur Bereitstellung des Onlinedienstes bestehen.

Daran fehle es ist den meisten Fällen jedoch, da die Unternehmen die personenbezogenen Daten gerade nicht benötigen, um ihre vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen, namentlich eine Plattform oder einen anderen Onlinedienst zur Verfügung zu stellen. Anbieterinnen und Anbieter würden die personenbezogenen Daten der Konsumenten lediglich als Gegenleistung annehmen.

Die Herausgabe der Daten sei also das Äquivalent zur Geldleistung, die ebenfalls für eine Vertragserfüllung seitens des Unternehmens nicht erforderlich sei; die Leistung könne auch ohne die Datenverarbeitung erfolgen und gehe nicht notwendig mit ihr einher. Nach Ansicht des EDSA ist der Erlaubnistatbestand der Erforderlichkeit zur Vertragserfüllung also restriktiv auszulegen. Dem schließen sich auch viele Stimmen in der Literatur an. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DS-GVO dürfte somit in der Regel keine ausreichende Erlaubnisgrundlage darstellen.

Beim Bezahlen mit Daten könnte die Datenverarbeitung ein berechtigtes Interesse des Unternehmens begründen und deshalb erlaubt sein. Dies wäre anhand einer Interessenabwägung im Einzelfall zu bestimmen. Die Interessen der Anbieterinnen und Anbieter müssen demnach die Interessen der Betroffenen überwiegen. Daraus folgt, dass eine Datenverarbeitung nicht ohne Weiteres auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO gestützt werden kann, sondern es stets vom Einzelfall anhängt, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt.   

In der Praxis wird die Verarbeitung personenbezogener Daten bisher in den meisten Fällen auf eine Einwilligung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DS-GVO gestützt. Das heißt, dass die Unternehmen die Nutzerinnen und Nutzer der digitalen Inhalte vor Vertragsschluss darüber informieren müssen, dass sie im Anschluss die personenbezogenen Daten verarbeiten und auch zu welchen Zwecken sie dies tun.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dieser Verarbeitung sodann aktiv und freiwillig zustimmen, damit die konkrete Datenverarbeitung seitens des Unternehmens rechtmäßig ist. Daraus folgt erneut, dass die Unternehmen einige substantiierte Informationspflichten über die Datenverarbeitung und deren Zwecke treffen, da eine Einwilligung nur freiwillig sein kann, wenn die Betroffenen genau wissen, was mit ihren Daten geschieht, also welchen Verwendungen sie im Endeffekt zustimmen.  

Vereinbarkeit mit dem Kopplungsverbot? 

Es fragt sich zudem, ob eine Einwilligung im Rahmen eines Vertragsschlusses bei dem mit personenbezogenen Daten gezahlt wird, mit dem Kopplungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 DS-GVO vereinbar ist. Das Kopplungsverbot besagt, dass eine Einwilligung der betroffenen Person nicht freiwillig, also damit unwirksam ist, wenn sie an einen Vertrag gekoppelt ist, das heißt für einen Vertragsschluss vorausgesetzt wird.  

Deshalb stellt sich die Frage, ob eine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten freiwillig sein kann, wenn der oder die Betroffene dafür eine vertraglich vereinbarte Leistung erhält. Hierfür spricht der Grundsatz der Privatautonomie, wonach jede Person die Freiheit besitzt, einen Vertrag mitsamt seiner rechtlichen Konsequenzen nach seinem Belieben zu schließen oder eben nicht.

Da ein Verbraucher oder eine Verbraucherin sich im Fall des § 312 Abs. 1a BGB n.F. aktiv dafür entscheidet mit personenbezogenen Daten zu bezahlen, liegt eine Freiwilligkeit der Einwilligung nahe. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Nutzerinnen und Nutzer auf die digitalen Inhalte und Dienstleistungen nicht angewiesen sind, also eine freiwillige Entscheidung in jedem Fall möglich bleibt.

Ein Widerspruch zu den Vorgaben der DS-GVO besteht vom Wortlaut her also erst einmal nicht. 

Gegenstimmen führen jedoch an, dass das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen hierdurch stark kommerzialisiert wird. Genaueres dazu wird sich allerdings erst ab Inkrafttreten der neuen Regelungen des BGB ergeben. Rechtsprechung zu diesem Thema ist also abzuwarten um die Fragestellung letztlich abschließend klären zu können.  

Was darf der Unternehmer mit den erlangten Daten tun?  

Wenn mit Daten für digitale Inhalte bezahlt wird, stimmen die Konsumenten dieser Inhalte in der Regel auch einer etwaigen Verarbeitung ihrer personenbezogen Daten zu (s.o.). Berechtigt sind die Unternehmen dann zu allem, worin zuvor im Wege der Einwilligung zugestimmt wurde.

Pflicht der Anbieterinnen und Anbieter ist dann aber auch eine umfassende vorherige Information der Verbraucherinnen und Verbraucher darüber, zu welchen Zwecken die personenbezogenen Daten verarbeitet und verwendet werden (s.o.).  

In der Praxis erfolgt die Datenverarbeitung meist zur Platzierung personalisierter Werbung oder zur Entwicklung neuer Angebote und Inhalte. Außerdem werden die Daten auch häufig an Drittanbieter weiterveräußert. 

Auswirkungen bei Angabe falscher Daten 

Sofern zur Bezahlung falsche Daten angegeben wurden, haben die Betroffenen ihre vertraglichen Hauptleistungspflichten verletzt. Nach Erwägungsgrund 24 der DIDRL bestehen dann die vertraglichen Rechtsbehelfe. Es wäre also denkbar, dass das Unternehmen auf Vertragserfüllung, also auf Angabe der richtigen Daten klagen könnte.

Dies wäre aber etwas umständlich und wenig interessengerecht, da die Verbraucherin oder der Verbraucher mit der falschen Angabe zuvor deutlich macht, dass sie oder er mit der Datenverarbeitung nicht einverstanden ist. Eine Kündigung des Vertrages scheint in solchen Fällen einfacher und auch angemessener zu sein. Dasselbe gilt, wenn Daten gegen Ware, anstatt gegen den Zugang zu einem Onlinedienst herausgegeben werden. 

Anbieterinnen und Anbieter können den Vertrag mit Inkrafttreten der Neuregelungen nach dem Verbraucherrecht kündigen, wenn ihnen ein Festhalten am Vertrag gem. § 327q Abs. 2 BGB n.F. nicht zumutbar ist. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Daten gar nicht herausgegeben wurden, also die vertraglich zugesagte Gegenleistung nicht erfolgt ist.

Gleiches gilt, wenn eine Einwilligung zur Verarbeitung widerrufen und eine weitere Verarbeitung damit explizit untersagt wurde. Dies könnte auch bei der Verwendung falscher Daten gelten, weil es den Unternehmen durch die falschen Daten kaum gelingen wird, ihr vertragsgemäßes Ziel, namentlich die Schaltung personalisierter Werbung, zu erreichen.  

Auswirkungen eines Widerrufs durch die Betroffenen  

Gem. § 355 BGB können Verbraucherinnen und Verbraucher sich ohne einen bestimmten Grund innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von 14 Tagen vom Vertrag lösen. Macht der oder die Betroffene von seinem oder ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, wandelt der einstige Vertrag sich in ein Rückgewährschuldverhältnis um, sodass die erbrachten Leistungen zurückzugewähren sind.

Das bedeutet im konkreten Fall, dass Verbraucherinnen und Verbraucher keinen Zugang mehr zu den Onlinediensten erhalten, aber dafür auch ihre personenbezogenen Daten von dem jeweiligen Unternehmen nicht mehr verarbeiten werden dürfen; mit dem Widerruf des Vertrages wurde also auch die Einwilligung zur Datenverarbeitung zurückgenommen. Darüber hinaus müssen die Unternehmen die Daten der widerrufenden Partei auch löschen.  

Fazit 

Die Neuregelung im BGB bringt vor allem Klarheit in die zuvor sehr umstrittene und deshalb unsichere Rechtslage. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Anwendbarkeit des Verbraucherschutzrechtes. Bezüglich des Verhältnisses zum Kopplungsverbot der DS-GVO besteht derzeit noch Uneinigkeit, vom Wortlaut her dürfte es aber mit dem Bezahlen mit Daten vereinbar sein.  

Für Verbraucherinnen und Verbraucher dürften die Änderungen erfreulich sein, da sie durch die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften besser geschützt werden. Dies zeigt sich vor allem in der erhöhten Transparenz und Datensouveränität. Betroffene können künftig gezielt entscheiden, inwiefern sie ihre Daten herausgeben und damit bezahlen wollen, oder ob sie die Verarbeitung eher ablehnen und für die digitalen Inhalte eine Geldzahlung leisten möchten.

Außerdem können sie sich nun durch einen Widerruf gem. § 355 BGB leichter vom Vertrag lösen. Auf der anderen Seite können aber auch Unternehmen profitieren, da ihnen nun Kündigungsrechte zustehen und sie im Falle eines Widerrufs der Einwilligung ihre Produkte und Dienstleistungen nicht weiterhin kostenlos zur Verfügung stellen müssen. 

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Ende der Cookie Banner durch Inkrafttreten des TTDSG?

TTDSG Cookie Banner

Mit Inkrafttreten des TTDSG soll auch eine zentrale Einwilligungsverwaltung geschaffen werden. Ist dies das Aus der lästigen Cookie Banner?

Ende der Cookie Banner durch Inkrafttreten des TTDSG?  

Einführung 

Ab dem 01. Dezember 2021 gilt das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) in Deutschland. Wie bereits berichtet, sollen darin die jeweiligen Datenschutzregelungen aus dem Telemediengesetz (TMG) und dem Telekommunikationsgesetz (TKG) zentral in einem neuen Gesetz zusammengeführt werden. 

Eine Neuerung in Bezug auf die umstrittene Rechtslage zu Cookies gibt es im TTDSG jedoch nicht. Allerdings sieht das neue Gesetz in § 26 TTDSG eine zentrale Einwilligungsverwaltung vor, welche die sog. Cookie-Banner in Zukunft ersetzen könnte. 

Dieser Beitrag geht im Folgenden darauf ein, was Cookie-Banner und eine zentrale Einwilligungsverwaltung sind und welcher Kritik die neue Regelung bereits ausgesetzt ist.  

Was sind Cookie Banner? 

Ein Cookie Banner ist ein kleines Popup-Fenster, welches erscheint, sofern eine Nutzerin oder ein Nutzer eine neue Website aufruft. Durch den Cookie Banner werden die Besucherinnen und Besucher der jeweiligen Website über Cookies der Website informiert und sodann aufgefordert, selbstständig anzuklicken, mit welchen zum Abruf einer Website nicht unbedingt erforderlichen Cookies oder sonstigen einwilligungsbedürftigen Verarbeitungen ihrer personenbezogenen Daten sie einverstanden sind und mit welchen nicht. Dadurch sollen die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und des ab Dezember geltenden TTDSG erfüllt werden.

Die jeweiligen Datenverarbeitungsvorgänge beim Nutzen der Seite sollen bzw. dürfen erst dann erfolgen, wenn die Nutzerinnen und Nutzer aktiv eingewilligt haben. 

Einführung der zentralen Einwilligungsverwaltung durch das TTDSG 

Der bisherige Umgang mit Cookies wird von vielen Nutzerinnen und Nutzern als lästig und gegebenenfalls auch etwas umständlich empfunden. Oftmals werden die Informationen in den Cookie Bannern deshalb auch nicht richtig gelesen, sondern es wird nur schnell etwas angeklickt, damit das Fester verschwindet und weitergesurft werden kann.

Das TTDSG führt nun eine weitere Möglichkeit ein, wie Datenschutz im Internet nutzerfreundlicher umgesetzt werden kann. In § 26 TTDSG wird normiert, dass eine Einwilligungsverwaltung eingeführt werden soll. Ein solches Personal Information Management System (PIMS) erlaubt es jeder Person, ihre Datenschutzeinstellungen zu speichern und vorab festzulegen.

Immer wenn eine Website besucht wird, soll die jeweilige Website bei der Zentralstelle nachschauen, welche Wünsche die Nutzerin oder der Nutzer in Bezug auf Datenschutz und Cookies hat. Cookie Banner wären dann theoretisch nicht mehr nötig. 

Gem. § 26 Abs. 2 TTDSG muss die Bundesregierung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat durch Rechtsverordnung noch die Anforderungen an ein nutzerfreundliches und wettbewerbskonformes Verfahren, das Anerkennungsverfahren sowie Details zur Umsetzung von technischen und organisatorischen Maßnahmen bestimmen. Dies ist bisher noch nicht geschehen. 

Kritik an der zentralen Einwilligungsverwaltung 

Den Neuerungen gegenüber wurde aber auch bereits einiges an Kritik geäußert. Kernproblem der PIMS sei, dass sie in der Praxis vermutlich nicht zufriedenstellend funktionieren würden. Eine Parallele werde dazu aufgezeigt, dass bereits Voreinstellungen in Browsern gemacht werden können, welche ein Tracking verbieten (do not track-Funktion).

Hieran hielten sich die meisten Betreiberinnen und Betreiber von Websites jedoch nicht; es würden dennoch Cookie Banner geschaltet, welche auch nach der Einwilligung zu Tracking Cookies fragen, obwohl die Ablehnung vorher schon ausdrücklich erteilt wurde. Durchschnittlichen Leserinnen und Lesern falle dies meist nicht auf und sie stimmten sodann in der Regel zu. Dies führe dann dazu, dass Tracking Cookies verwendet werden, obwohl die Nutzerinnen und Nutzer in ihren Voreinstellungen angegeben haben, dass sie diesen Cookies eben nicht zustimmen.  

Zudem wird kritisiert, dass die Informationspflichten aus Art. 13 DS-GVO von vielen Websites sehr unterschiedlich erfüllt werden. Eine generelle Einwilligungsabfrage über die Nutzung von einer zentralen Einwilligungsverwaltung sei aber nur dann möglich, wenn ausreichend Details über die Datenverarbeitung und die Nutzung der Cookies auf den jeweiligen Websites veröffentlicht werden. Häufig stünden die nötigen Informationen aber nicht in den Datenschutzerklärungen oder sie seien für denselben Dienst auf verschiedenen Websites unterschiedlich ausgestaltet. Dies würde die Nutzung von PIMS in datenschutzkonformer Weise erheblich erschweren. 

Es wird darüber hinaus gefordert, dass bei der Ausgestaltung der Rechtsverordnung zur Ausgestaltung der Einwilligungsverwaltung nicht nur auf Nutzerfreundlichkeit, sondern vor allem auch auf einen ausreichenden Datenschutz geachtet wird. 

Fazit 

In der Theorie klingt es sehr gut: zentrale Einwilligungsverwaltungen sollen die lästigen Cookie Banner ersetzen. Jedoch fehlt bisher noch die ausgestaltende Verordnung im Sinne des § 26 Abs. 2 TTDSG, welche mehr Informationen dazu enthalten wird, wann und wie PIMS in Zukunft eingesetzt werden können. Ein Inkrafttreten dieser ausgestaltenden Verordnung wird nicht vor Ende 2022 erwartet.  

Außerdem unterliegt das Konzept der zentralen Einwilligung bereits einiger Kritik – teilweise wird vertreten, dass eine datenschutzkonforme Umsetzung in der Praxis kaum funktionieren könne.  

Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Rechtslage rund um Cookie Banner ab Inkrafttreten der TTDSG und durch die erforderliche Rechtsverordnung durch die Bundesregierung verändern wird. Vorerst lässt sich also nur sagen, dass durch die Einführung der zentralen Einwilligungsverwaltung bisher grundsätzlich nur eine weitere Möglichkeit zum Einholen einer Einwilligung zur Datenverarbeitung auf Websites geschaffen wurde. Ein völliges Ende der Cookie Banner ist derzeit nicht in Sicht.  

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12741-Commission-Implementing-Decision-on-standard-contractual-clauses-for-the-transfer-of-personal-data-to-third-countrie

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