Fehlerkultur im Zusammenhang mit Datenpannen

Wir erklären die arbeitsrechtlichen Maßnahmen bei unterlassener Meldepflicht hinsichtlich Datenschutzvorfällen.

Fehlerkultur im Zusammenhang mit Datenpannen

Spannungsfeld zwischen Meldepflicht und arbeitsrechtlichen Sanktionen

Die Zahl bei den Landesaufsichtsbehörden für den Datenschutz gemeldeten Datenvorfällen ist seit Einführung der DS-GVO gestiegen. Allein in  NRW wurden im Jahr 2019 12.500 Fälle gemeldet. Davon waren 2.235 Meldungen sog. Datenpannen gem. Art. 33 DS-GVO. Die  Datenpannen werden häufig durch die eigenen Mitarbeiter verursacht. Dies geschieht unter anderem durch das Öffnen von Phishing-Emails, Datenweitergabe an Unbefugte, etwa in Form von fehladressierten E-Mails, oder das Unterlassen von Updates. Die Folgen für das Unternehmen können verheerend sein. Neben den datenschutzrechtlichen Sanktionen, insbesondere hoher Geldbußen, erwartet das Unternehmen auch einen Imageschaden. Die Meldung eines solchen Vorfalls dient daher als zentrale organisatorische Maßnahme im Unternehmen und sorgt für den Schutz der IT-Infrastruktur und somit auch des Datenschutzes. Dennoch kommen viele Arbeitnehmer ihrer Meldepflicht aus Furcht vor den arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht nach. 

Was sind die Voraussetzungen für die Meldepflicht? 

Die Meldepflicht des Arbeitgebers an die entsprechenden Aufsichtsbehörden bei Datenpannen ergibt sich aus Art. 33 DS-GVO. Die DS-GVO sieht jedoch kein standardisiertes Vorgehen für die Meldung durch den Arbeitnehmer vor.  Die Meldepflicht von Arbeitnehmern für IT-Sicherheits- und Datenschutzvorfälle ergibt sich zum einen aus dem Arbeitsverhältnis und zum anderen aus den vom Arbeitgeber eingeführten Security Policies ergibt.   

Voraussetzung für die Meldepflicht ist das Wissen des Mitarbeiters über IT- oder Datenschutzvorfälle. Zudem dient die Meldepflicht dazu, dass der Mitarbeiter seiner Schadensminderungspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber nachkommt. 

Bei Verletzung der Meldepflicht sind die arbeitsrechtlichen Konsequenzen meist abhängig vom Schweregrad des Sicherheitsfehlers. Bei schweren Pflichtverletzungen ist eine ordentliche oder fristlose Kündigung möglich, wie es beim aktuellen Datenschutzvorfall des VfB Stuttgarts zu sehen ist Bei weniger schweren Pflichtverletzungen kommt vielleicht nur eine Abmahnung in Betracht. Letztlich entscheidet der Einzelfall. Da man aber nicht direkt die Schwere des Schadens abschätzen kann, könnte sich aus einem Bagatellschaden noch ein größerer Sicherheitsschaden entstehen und schließlich doch zu härteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Die Beweislast trifft  in der Regel den Arbeitgeber. 

Die angedrohten Sanktionen und die darin enthaltene Selbstbelastung können dazu führen, dass die Mitarbeiter die Sicherheitsvorfälle nicht anzeigen und es kommt zu einem Unterlassen der Meldepflicht.  

Verzicht auf arbeitsrechtliche Sanktionen?  

Die arbeitsrechtlichen Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadenausgleich besagen, dass der Arbeitnehmer nur haftet bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, sowie bei mittlerer Fahrlässigkeit nur anteilig haftet. Bei Vorfällen, die auf fahrlässiges oder leicht fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers basieren, könnte demnach auf eine arbeitsrechtliche Sanktion verzichtet werden.  

Auf diese Weise können die Mitarbeiter motiviert werden ihre Meldepflicht einzuhalten, selbst wenn ein Fehlverhalten ihrerseits vorliegt. Dem Arbeitgeber ist diese Überlegung zu empfehlen, da er auf die zeitnahe Meldung des Arbeitsnehmers angewiesen ist, um größere Schäden am Unternehmen zu vermeiden. Ein gänzlicher Verzicht ist in der Praxis nicht möglich, da sich die Arbeitnehmer sonst nicht mehr verpflichtet fühlen würden die arbeitsrechtlichen Regelungen einzuhalten. Ferner muss der Arbeitgeber in der Lage sein der eigenen gesetzlichen Meldepflicht nachzukommen, die im Fall von Art. 33 DS-GVO innerhalb von 72 Stunden nach Kenntniserlangung erfolgen muss. Die Frist wird auch dann ausgelöst, wenn ein Wissensvertreter Kenntnis über die Datenpanne erlangt hat.  

Zusätzliche Maßnahmen zur Einhaltung der Meldepflicht? 

Der Arbeitgeber sollte interne Prozesse festlegen, um Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten aufdecken und abstellen zu können. Dazu kann ein “incident response plan” eingeführt werden, der eine umgehende Weiterleitung an die Führungsebene ermöglicht. Diesbezüglich helfen interne Richtlinien weiter, welche u.a die Definition von Datenpannen umfasst und die Verantwortlichen sowie weitere Ansprechpartner nennt. 

Im Allgemeinen empfiehlt es sich, die Mitarbeiter für das Thema Meldepflicht und die damit einhergehenden Schäden besser zu sensibilisieren. Denn um den Mitarbeiter überhaupt in die Haftung miteinzubeziehen, muss dieser auch fähig sein IT-Sicherheits- und Datenschutzvorfälle zu erkennen. Sensibilisierungsmaßnahmen können in Form von IT-Security-Schulungen oder Awareness Trainings erfolgen.  

In Anlehnung an die Whistle-Blower-Fälle könnte man ein anonymisiertes und/oder pseudonymisiertes Meldesystem einrichten, welches eine „sichere“ Meldung von Vorfällen ermöglicht. Der Nachteil an einem Meldesystem ist jedoch meist die gänzliche Pflichtentbindung des Arbeitnehmers bei Verursachung eines Sicherheitsfehlers. 

LAG Kiel nimmt eine andere Betrachtung vor 

Das LAG Kiel hat in einem Urteil vom 06.08.2019 entschieden, dass die Meldung einer Datenpanne keine arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitnehmers darstellt. Im betreffenden Fall hat der Arbeitgeber ein standardisiertes Meldeverfahren in Form einer Arbeitsanweisung festgelegt. Die inhaltlichen Vorgaben der Arbeitsanweisung stellten laut LAG Kiel ein Ordnungsverhalten dar, welches der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates gem. § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG unterliegt. 

Dabei verkennt das Gericht allerdings die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach positiv festgestellt werden muss, ob eine Maßnahme die betriebliche Ordnung betrifft. Eine derartige Feststellung ist der Entscheidung des LAG Kiel nicht zu entnehmen.  

Diese Entscheidung des LAG Kiel ist insbesondere auch in eiligen Datenschutzfällen fragwürdig. Denn liegt eine mitbestimmungswidrige Anweisung des Arbeitgebers vor, ist diese nicht verbindlich für den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer ist somit nicht verpflichtet eine Datenpanne zu melden. Gerade im Hinblick auf die Meldefrist für den Arbeitgeber durch die DS-GVO erscheint diese Vorgehensweise nicht praktikabel. 

Abzuwarten bleibt, ob und wie das BAG sich zu dieser Betrachtung äußert. 

Fazit 

Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse lohnt es sich also für den Arbeitgeber auf Sanktionen wie Abmahnung oder Kündigung in gewissen Fällen zu verzichten. Statt übermäßiger Sanktionierung sollte im Unternehmen eine umfassende Aufklärung über die Meldepflicht und die Konsequenzen bei Unterlassung erfolgen, damit die Arbeitnehmer bei Erkennen eines Datenschutzvorfalls schneller agieren. Ferner sollte eine Abstimmung mit den Sozialpartnern erfolgen, damit keine Komplikationen bei Einführung von Meldesystemen entstehen. 

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12741-Commission-Implementing-Decision-on-standard-contractual-clauses-for-the-transfer-of-personal-data-to-third-countrie

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Gibt es noch Hoffnung für den US-Datentransfer?

Wir erklären die ergänzenden Maßnahmen zur Standarddatenschutzklausel.

Gibt es noch Hoffnung für den US-Datentransfer?

Einleitung

Im Juli diesen Jahres kippte der Europäische Gerichtshof den transatlantischen „Privacy Shield“. Dieses Urteil hatte und hat weitreichende Auswirkungen auf den Datentransfer zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. Um dennoch einen Datentransfer zu gewährleisten, werden nun ergänzende Maßnahmen vorgeschlagen, die in Verbindung mit den Standarddatenschutzsklauseln einen gleichwertigen Datenschutz darstellen sollen. Dazu hat das European Data Protection Board (EDPB) eine schriftliche Empfehlung zur praktischen Vorgehensweise veröffentlicht. 

Diese Empfehlungen beinhalten zunächst einen Sechs-Schritte-Plan, in dem es vorrangig darum geht, wie Daten sicher übermittelt werden können. Im Anschluss daran erfolgt dann eine Erläuterung über die neuen ergänzenden Maßnahmen. Diese sollen in Kombination mit bereits bestehenden Transfer Tools eingesetzt werden, um einen gleichwertig geschützten Datentransfer in Drittländer vornehmen zu können, insbesondere dort wo der Schutz allein aufgrund der Standarddatenschutzklauseln nach dem Urteil nicht mehr gewährleistet ist. 

Was für ergänzende Maßnahmen sind das? 

Es gibt drei Kategorien, in die die Maßnahmen eingeteilt sind: technisch, vertraglich und organisatorisch.  

Die technischen Maßnahmen betreffen überwiegend die Verschlüsselung und Pseudonymisierung von Daten einer Datenübermittlung. Diesbezüglich werden in den Empfehlungen Fallbeispiele angeführt, wie die Datenspeicherung bei einem externen Provider oder die Verschlüsselung bei Durchquerung des Drittlandes aussehen sollte, um nach Ansicht des EDPB als angemessene Maßnahme zu gelten. Insbesondere soll eine Verschlüsselung und Pseudonymisierung vor der Datenübermittlung erfolgen, womit eine Entschlüsselung beim Übermittlungs– und Verarbeitungsprozess durch unberechtigte Parteien unmöglich gemacht oder zumindest erschwert werden soll. Allerdings sind derartige technische Maßnahmen bei Cloud-Anbietern oder bei Fernzugriffen auf Geschäftsdaten regelmäßig nur schwer umsetzbar, da in beiden Bereichen eine Verschlüsselung die Arbeitsprozesse behindern kann. 

Die vertraglichen Maßnahmen umfassen die Einführung verpflichtender Klauseln zur Absicherung der technischen Maßnahmen, Informationspflichten, verstärkte Kontrollrechte, Mitteilungspflichten sowie die Anfechtung von behördlichen Anordnungen. 

Die organisatorischen Maßnahmen dienen der angemessenen Umsetzung und Erhaltung der zuvor benannten Maßnahmen. Sie können aus internen Richtlinien, Organisationsmethoden sowie Standards bestehen, die die verantwortlichen Parteien anwenden und auch den Datenimporteuren in Drittländern auferlegt werden können. Des Weiteren wird die Durchführung entsprechender Schulungen empfohlen, um Mitarbeiter für die Überprüfung dieser Prozesse auszubilden. 

Können diese Maßnahmen den Datentransfer in die Vereinigten Staaten sichern?  

Die schriftlichen Empfehlungen legen sich nicht auf die Vereinigten Staaten fest, sondern umfassen allgemein Drittstaaten, wozu nach Wegfall des Privacy Shields nun eben auch die Vereinigten Staaten zählen. Da die Einstellung des Datentransfers in die Vereinigten Staaten wirtschaftlich betrachtet höchst problematisch und nahezu unmöglich ist, zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt, kann man nur vermuten, dass das EDPB angesichts der verhältnismäßig schnellen Veröffentlichung seiner Empfehlungen dieses Problem erkannt hat und den betroffenen Unternehmen dennoch Möglichkeiten an die Hand geben will, um einen Datentransfer in die Vereinigten Staaten zu legitimieren. Die Anwendbarkeit und Legitimierungswirkung der empfohlenen Maßnahmen sei erst einmal dahingestellt, da die Maßnahmen zumindest dann nicht ausreichend sein können, wenn die Datenimporteure und das Telekommunikations-Sicherheitsgesetz der Vereinigten Staaten (FISA) fallen  

So wurde im Schrems-II-Urteil zwar die weitere Nutzung von Standardvertragsklauseln als zulässig erachtet, aber zusätzlich vor deren Nutzung muss nunmehr von den Datenexporteuren und –importeuren geprüft werden, ob die Standardvertragsklauseln einen ausreichenden Schutz bieten oder ggf. noch weitere Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes erfolgen müssen. Für die Vereinigten Staaten dürfte dies meist der Fall sein. Darüber hinaus ist aber auch jedes andere Drittland betroffen, sofern es nicht den europäischen Datenschutzstandards gerecht wird.  

Wie sieht die praktische Umsetzbarkeit aus? 

Die Einsetzung der ergänzenden Maßnahmen ist hilfreich, allerdings ist die praktische Umsetzung schwierig. Zu einer umfassenden Dokumentationspflicht kommt hinzu, dass die ergänzenden Maßnahmen viele individuelle Absprachen zwischen den datenverarbeitenden Parteien erfordern. Zudem garantiert die Einsetzung einer einzelnen Maßnahme nicht automatisch den erforderlichen Datenschutz. Ganz im Gegenteil muss eine konkrete Abwägung der verschiedenen Maßnahmen vorgenommen werden, die im jeweiligen Drittland zum Einsatz kommen sollen. Denn jedes Drittland hat verschiedene Gesetze und Regelungen, die Auswirkungen auf das EU-Datenschutzniveau haben und daher andere Maßnahmen erforderlich machen. Daher ist es unabdingbar, dass diverse Informationsquellen über das Zielland herangezogen werden. Dazu zählen Rechtsprechung der Europäischen Union, Berichte von zwischenstaatlichen Organisationen, nationale Rechtsprechung und Einschätzungen und Berichte von nationalen oder europäischen Datenschutzbehörden (wie bspw. des EDPB) Letztlich muss immer eine Einzelfallentscheidung getroffen werden, die auch eine Kombination aus mehreren Maßnahmen voraussetzen kann 

Fazit 

Folglich gibt es nicht den einen Lösungsweg. Doch bieten die Empfehlungen eine Orientierungshilfe, um den Datentransfer in Drittländer dennoch anhand von Standardvertragsklauseln zu ermöglichen. Bei alldem gilt es die eigene Verantwortlichkeit für den Datentransfer zu beachten. Daher sollten Datenexporteure und –importeure die Empfehlungen des EDPB vor der Datenübermittlung oder Datenverarbeitung berücksichtigen und sich detailliert über die Regelungen im Drittland informieren, in welches die Daten transferiert oder verarbeitet werden.  

In diesem Zusammenhang ist es auch empfehlenswert den neuen Entwurf der SCCs zu lesen, welcher vermutlich zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten wird und die Verordnung von 2010 ablösen soll. Bis zum 10.12.2020 hatten Betroffene die Möglichkeit sich zu diesem Entwurf zu äußeren. Besonders besorgt sind einige Betroffene über den Umsetzungszeitraum von einem Jahr ab Inkrafttreten, da viele Forderungen in der Praxis nicht entsprechend schnell umgesetzt werden können.  

Zwar greift der neue Entwurf die oben benannten Maßnahmen auf und wird auf diese Weise den Anforderungen des Schrems-II-Urteils gerecht, aber für die Unternehmen bedeutet das, dass sie mit erheblichem Aufwand eine umfassende Übersicht über ihre Datentransfers vornehmen müssen. 

 

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12741-Commission-Implementing-Decision-on-standard-contractual-clauses-for-the-transfer-of-personal-data-to-third-countrie

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Neues zur Datenübermittlung ins Vereinigte Königreich nach dem Brexit

Angemessenheitsbeschluss

Bisher ist noch kein Angemessenheitsbeschluss für das Vereinigte Königreich in Sicht. Wir erläutern, was für einen solchen Beschluss sprechen könnte und warum auch Bedenken bestehen.

Angemessenheitsbeschluss

Neues zur Datenübermittlung ins Vereinigte Königreich nach dem Brexit

Einführung

Großbritannien ist am 31.01.2020 aus der EU ausgetreten und seitdem kein Mitgliedstaat mehr. Bis zum 31.12.2020 dauert jedoch noch der sog. Übergangszeitraum an, in dem EU-Recht, vor allem die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) noch direkte Anwendung findet. Wie zuvor berichtet, wird das Vereinigte Königreich ab dem 01.01.2021 dann zum Drittland im Sinne der DS-GVO, sodass ein Datentransfer nur noch anhand der Art. 44 ff. DS-GVO zulässig ist. Ein uneingeschränkter Drittlandstransfer bedarf demnach eines Angemessenheitsbeschlusses der Europäischen Kommission, der besagt, dass in dem jeweiligen Drittland ein angemessenes, mit dem der EU vergleichbares, Datenschutzniveau vorliegt. Sofern kein Angemessenheitsbeschluss vorliegt, kann eine Datenübermittlung anhand geeigneter Garantien stattfinden: es kann vor allem auf Standardvertragsklauseln oder Binding Corporate Rules (BCRs) zurückgegriffen werden.

Angemessenheitsbeschluss für das Vereinigte Königreich?

Bisher hat die EU-Kommission noch keinen Angemessenheitsbeschluss für einen Datentransfer in das Vereinigte Königreich erlassen. Es bleibt also abzuwarten, ob und wie schnell sich die Kommission entscheiden wird.

Fraglich ist, ob das Datenschutzniveau in Großbritannien als angemessen angesehen wird. Dafür könnte zunächst sprechen, dass das Vereinigte Königreich maßgeblich im Prozess der Entstehung und Einführung der DS-GVO (als Mitgliedstaat) beteiligt war und 2018 den UK-DPA (Data Protection Act) erlassen hat, welcher viele Regelungen aus der DS-GVO aufgegriffen und umgesetzt hat. Im Zuge des Erlasses der UK-GDPR 2019 hat die Rechtslage sich im Vereinigten Königreich nun weitgehend der DS-GVO angenähert. Deswegen hatten sich viele Menschen und vor allem Unternehmen erhofft, dass der Angemessenheitsbeschluss nur eine Formalität ist und deshalb zügig von der EU-Kommission erlassen wird, um schnellstmöglich Rechtssicherheit zu schaffen. Dies ist nun nicht der Fall; die Kommission überprüft derweil eingehend das Datenschutzniveau in dem ehemaligen Mitgliedstaat.

Einem Angemessenheitsbeschluss könnte jedoch die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und ein Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten entgegenstehen, bzw. diesen erschweren.

Im Folgenden wird näher auf die Auswirkungen des zuvor erwähnten Abkommens und der EuGH-Rechtsprechung auf einen möglichen Angemessenheitsbeschluss eingegangen.

Auswirkungen des Datenschutzabkommens zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich?

Die USA und das Vereinigte Königreich haben Ende 2019 ein Abkommen getroffen, welches die Strafverfolgungsbehörden des jeweils anderen Landes dazu ermächtigt, zum Zwecke der Strafverfolgung umfangreichen Zugang zu elektronischen Beweismitteln, einschließlich personenbezogenen Daten, die sich im Besitz eines Unternehmens mit Sitz im jeweils anderen Land befinden, zu erlangen (Agreement between the UK and US on Access to Electronic Data for the Purpose of Countering Serious Crime). Am 28.02.2020 trat das Abkommen dann in Kraft. Der Europäische Datenschutzausschuss (European Data Protection Board, EDPB) hat in einem Brief bereits seine Bedenken bezüglich des Abkommens geäußert und klargestellt, dass es auch Einfluss auf die Abgabe eines möglichen Angemessenheitsbeschlusses hat. Der Datenschutzausschuss kritisierte vor allem, dass aus dem Abkommen nicht eindeutig hervorgehe, dass die Beantragung der Datenauskunft der vorherigen gerichtlichen Genehmigung bedürfe. Zudem sei nicht ersichtlich, dass das getroffene Abkommen in Bezug auf den Datenschutz Vorrang vor anderen innerstaatlichen Gesetzen, wie bspw. dem Cloud Act in den USA habe. Dies sei jedoch notwendig, damit ein Abkommen dem Schutzniveau der EU gerecht werde, vor allem, wenn das Land keinen Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vorweisen könne.

Auswirkungen der Nichtigkeit des Privacy Shields auf einen Angemessenheitsbeschluss?

Auch die Nichtigkeit des Privacy Shields könnte Auswirkungen auf den Erlass eines Angemessenheitsbeschlusses des Vereinigten Königreichs haben. Wie zuvor berichtet, ist das Privacy Shield vom EuGH am 16.07.2020 für ungültig erklärt worden, weil den US-Geheimdiensten und -Behörden zu umfangreiche Befugnisse bezüglich des Zugriffs und des Sammelns von personenbezogenen Daten aufgrund innerstaatlicher Gesetze zustehen und dass Nicht-US-Bürger sich nicht ausreichend gegen einen möglichen Verstoß ihrer Rechte wehren konnten.

Im Vereinigten Königreich könnte es nun ähnlich aussehen, da sie aufgrund ihrer ebenfalls weitgehenden Überwachungsgesetze im Investigatory Powers Act und mit der Mitgliedschaft in der Five Eyes Alliance (UKUSA-Vereinbarung), ihren Behörden auch in großem Umfang Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zum Privacy Shield geht jedoch klar hervor, dass ausladende Überwachungsgesetze als nicht vereinbar mit dem EU-Datenschutzniveau angesehen werden. Die Nichtigkeit des Privacy Shields schmälert demnach die Chancen für einen Angemessenheitsbeschluss des Vereinigten Königreichs.

Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung zu Privacy International?

Kürzlich hat der EuGH in der Sache Privacy International (Urteil vom 06.10.2020, Az. C-623/17) geurteilt, dass die britische Regelung zur umfangreichen und anlasslosen Vorratsdatenspeicherung nach dem EU-Recht nicht zulässig sei. Britische Überwachungsgesetze wie der Investigatory Powers Act, welcher britischen Sicherheitsbehörden weitreichende Befugnisse zum Sammeln und Speichern von personenbezogenen Daten der Bevölkerung verschafft, würden gegen die EU-Grundrechte verstoßen.

Daraus folgt, dass das Datenschutzniveau von den Luxemburger Richtern als nicht angemessen angesehen wird. Dies wird sicherlich auch für die Kommission von entscheidender Bedeutung sein. Das Urteil wird einen möglichen Angemessenheitsbeschluss nun erheblich erschweren, gerade weil das Privacy Shield unter anderem wegen zu umfangreicher Befugnisse der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden gekippt wurde. Im Vereinigten Königreich ist die Situation nun sehr ähnlich.

Fazit

Nun bleibt es weiter abzuwarten, wie die Europäische Kommission bezüglich des Angemessenheitsbeschlusses entscheiden wird. Aufgrund der neueren EuGH-Rechtsprechung ist ein Angemessenheitsbeschluss jedoch eher unwahrscheinlich. Ein Datentransfer in das Vereinigte Königreich muss ab dem 01.01.2021 also zunächst über Standardvertragsklauseln oder BCRs erfolgen.

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BVerfG: Regelungen zur Bestandsdatenauskunft gehen noch immer zu weit

Wir erläutern, was unter Bestandsdatenauskunft zu verstehen ist und in welchem Verhältnis sie zu den Grundrechten steht.

BVerfG: Regelungen zur Bestandsdatenauskunft gehen noch immer zu weit

Einleitung

Nach einigen Jahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sich erneut mit der Bestandsdatenauskunft auseinandergesetzt. Grund dafür waren zwei Verfassungsbeschwerden, wobei eine der Verfassungsbeschwerden 2013 von einem heutigen Piraten-Europapolitiker und einer seiner ehemaligen Parteikolleginnen eingelegt und von etwas mehr als 6.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wurde. Die Beschwerde-führer kritisierten insbesondere, dass Sicherheitsbehörden aufgrund der geltenden Gesetzeslage ohne große Hürden personenbezogene Daten einsehen könnten und sie deswegen in ihren Grundrechten verletzt seien.

Nachdem die Regelungen zur Bestandsdatenauskunft bereits 2012 nach einem Beschluss des BVerfG (Beschl. v. 24.01.2012, Az. 1 BvR 1299/05, „Bestandsdatenauskunft I“) abgeändert wurden, stehen sie nun wieder im Visier des Karlsruher Gerichts. Erst kürzlich hat das BVerfG erneut darüber entschieden, ob sie mit der Verfassung vereinbar sind oder sie einer erneuten Änderung bedürfen.

Bestandsdatenauskunft und ihre rechtliche Grundlage

Als Bestandsdaten werden gem. § 3 Nr. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) solche personenbezogenen Daten bezeichnet, die im Rahmen eines Telekommunikationsvertrages zu dessen Begründung, inhaltlicher Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung erhoben werden. Dazu zählen bspw. der Name, die Adresse, die Telefonnummer oder auch Passwörter und IP-Adressen der Kunden. Bestimmte gesetzliche Regelungen befugen nun Sicherheitsbehörden, von den Telekommunikationsunternehmen Auskunft über diese Kundendaten zu erlangen (sog. Bestandsdatenauskunft). Dabei geht es insbesondere um die Auskunft über den Anschlussinhaber eines Telefonanschlusses oder einer bestimmten IP-Adresse. Sofern die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, sind die Telekommunikationsanbieter zur Auskunft verpflichtet. Dies betrifft jedoch nicht die sog. Verkehrsdaten, welche sich auf die Nutzung des Telekommunikationsdienstes oder deren Inhalt beziehen, sondern ausschließlich die Bestandsdaten der Kunden.

Als gesetzliche Grundlage für die Bestandsdatenauskunft dient insbesondere der § 113 TKG. Danach dürfen Sicherheitsbehörden die jeweiligen Bestandsdaten anfordern, wenn dies im Einzelfall der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben der Behörden dient. Die in § 113 TKG berechtigten Behörden sind bspw. die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt oder auch Nachrichtendienste.

Entscheidung des BVerfG 

In seinem neusten Beschluss (Beschl. v. 27.05.2020, Az. 1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13, „Bestandsdatenauskunft II“) entschied das BVerfG erneut für die Kläger und begründete seine Entscheidung damit, dass § 113 TKG keine ausreichende und verhältnismäßige Rechtsgrundlage für die Bestandsdatenauskunft darstelle. Dies liege daran, dass die Norm zu weit und unbestimmt gefasst sei. Die Eingriffsschwellen für die Sicherheitsbehörden seien zu niedrig, sodass die derzeitige Fassung des § 113 TKG gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen das Telekommunikationsgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG verstoße. Nach Auffassung des Gerichts seien neben dem § 113 TKG auch andere Bundesgesetze verfassungswidrig, die maßgeblich die Bestandsdatenauskunft betreffen.

Die Karlsruher Richter verlangten, dass der Gesetzgeber sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten an die Behörden als auch für dessen Abruf durch die Behörden eine verhältnismäßige Rechtsgrundlage ausarbeite. Diese müsste dann eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten beinhalten. Davon sei jedenfalls dann auszugehen, wenn tatbestandliche Eingriffsschwellen und ein hinreichend gewichtiger Rechtsgüterschutz in den jeweiligen Normen vorgesehen würden. Das BVerfG betonte zudem, dass eine Bestandsdatenauskunft nicht per se verfassungswidrig sei, sondern nur die derzeitige gesetzliche Grundlage.

Folge der Entscheidung ist, dass § 113 TKG und andere Bundesgesetze, die die Bestandsdatenauskunft betreffen, abgeändert werden müssen, um den Grundrechten der Betroffenen gerecht zu werden und sie nicht in unverhältnismäßiger Weise zu verletzen. Dies soll nun bis spätestens Ende 2021 geschehen. In der Übergangszeit könne § 113 TKG jedoch weiterhin eine Bestandsdatenauskunft legitimieren, sofern die jeweilige Auskunft zur Abwehr einer konkreten Gefahr erforderlich oder bezüglich der Nachrichtendienste zur Aufklärung im Einzelfall geboten sei oder wenn für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zumindest ein Anfangsverdacht bestehe, so das BVerfG.

Fazit

Die Änderung der Vorschriften zur Bestandsdatenauskunft in 2012 waren nach Ansicht des BVerfG nicht ausreichend. Die Rechtsgrundlagen, insbesondere § 113 TKG, seien derzeit immer noch zu unbestimmt und würden die Betroffenen in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung und das Telekommunikationsgeheimnis (Art. 2 Abs.1 i.V.m Art 1 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 GG) verletzen.

Als Folge des Urteils wird nun eine weitere Änderung der Vorschriften über die Bestandsdatenauskunft erwartet. Für die Reformierung der Gesetze hat der Gesetzgeber nun bis zum 31.12.2021 Zeit. In der Zwischenzeit findet § 113 TKG jedoch weiterhin mit gewissen Einschränkungen Anwendung.

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BGH im Eilverfahren: Facebooks Datenerhebung behindert den Wettbewerb

Der BGH bestätigt nun das BKartA, sodass Facebook seine Nutzungsbedingungen vorerst anpassen muss.

BGH im Eilverfahren: Facebooks Datenerhebung behindert den Wettbewerb

Einleitung

Bereits im Februar 2019 sprach das Bundeskartellamt (BKartA) gegen Facebook eine Verbotsverfügung aus, weil es der Meinung war, Facebook behindere mit seinen Nutzungsbedingungen den Wettbewerb und nutze seine marktbeherrschende Position aus. Das BKartA setzte Facebook sodann eine Frist von zwölf Monaten, um seine Nutzungsbedingungen anzupassen. Bereits nach vier Monaten sollten Lösungsvorschläge präsentiert werden. Facebook hat gegen die Verfügung umgehend Beschwerde am Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eingelegt, welches im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Verfügung angeordnet hat. Dies bedeutet, dass die Entscheidung des BKartA nicht vollzogen werden darf, bis im Hauptsacheverfahren darüber entschieden wurde. Für Facebook heißt das, sich nicht an das Verbot bzw. die Auflagen des BKartA halten zu müssen, bis das OLG über die Rechtmäßigkeit der Verfügung entschieden hat. Das BKartA hat sich daraufhin ebenfalls im Eilverfahren an den Bundesgerichtshof (BGH) gewandt, um die aufschiebende Wirkung der Verfügung beseitigen zu lassen. Der BGH hat nun geprüft, ob die Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Verfügung gerechtfertigt ist. Hierbei entscheidet der BGH nicht in der Hauptsache selbst, also ob das Verhalten von Facebook gegen kartellrechtliche Bestimmungen verstößt, sondern, ob ernstliche Zweifel bezüglich der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung des BKartA bestehen.  

Nutzungsbedingungen von Facebook

Um Facebook nutzen zu können, müssen User zuerst einem plattformübergreifenden Umgang mit ihren Daten zustimmen. Das soziale Netzwerk sammelt und verarbeitet nicht nur Daten, die die jeweiligen Nutzer auf ihrem Facebook-Profil preisgeben, sondern auch Daten von Dritt-Webseiten und -Apps wie Instagram und WhatsApp (welche zu Facebook gehören). Dies dient dazu, genauere Profile der Nutzer zu erstellen und bspw. gezielt Werbung zu platzieren.

Ansicht des BKartA

Das BKartA ist der Ansicht, dass die Nutzungsbedingungen einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) darstellen. Durch das plattformübergreifende Datensammeln nutze Facebook seine marktbeherrschende Stellung aus, da den Nutzern keine Wahl gelassen werde, ob sie die Verknüpfung der Daten zulassen wollen oder nicht. Missbräuchlich sei, entgegen der Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) die private Nutzung von Facebook vom scheinbar grenzenlosen Sammeln von Daten und Erstellen von Profilen abhängig zu machen und den Nutzer quasi zur Zustimmung zu „zwingen“.

Entscheidung des BGH (Beschl. v. 23.06.2020, Az. KVR 69/19)

Der BGH setzte sich im Eilverfahren damit auseinander, ob ernstliche Zweifel bezüglich der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung des BKartA bestehen. Dies erfolgt nur aufgrund einer summarischen Prüfung, was bedeutet, dass auf eine umfangreiche Beweisaufnahme verzichtet wird, um dem Charakter des Eilverfahrens gerecht zu werden und schnell eine Entscheidung zu erlangen. Nach seiner Prüfung stellte der BGH sich auf die Seite des BKartA. Das Karlsruher Gericht war ebenfalls der Auffassung, dass keine ernstlichen Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt bestünden und diese Stellung von dem sozialen Netzwerk bei Verwendung ihrer Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausgenutzt werde. Ausschlaggebend sei wieder die fehlende Wahlmöglichkeit der Nutzer, ob sie dem umfangreichen Datensammeln zustimmen wollen oder nicht. Dieser Umstand beeinträchtige schließlich die Privatautonomie und die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art 1 Abs. 1 Grundgesetz) der Facebook-Nutzer, sowie die Kontrollfunktion des Wettbewerbs. Letztere könne durch die nach Ansicht des BGH kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer von Facebook nicht mehr wirksam ausgeübt werden.

Der BGH bestätigt mithin einen Marktmissbrauch und sieht keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung des BKartA. Die Karlsruher Richter sind der Meinung, dass die Nutzungsbedingungen in der Hinsicht angepasst werden müssten, dass die Nutzer des sozialen Netzwerks der Verknüpfung ihrer Daten von anderen Webseiten und Diensten aktiv zustimmen müssten und zudem eine Nutzung möglich wäre, sofern sie die Verknüpfung der Profile ablehnen würden.

Fazit

Im Ergebnis lehnte der BGH die Entscheidung des OLG Düsseldorf, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, ab und hob sie auf. Daraus folgt, dass Facebook sich zunächst an die Verbotsverfügung des BKartA halten muss, bis in der Hauptsache entschieden wurde. Somit stoppt der BGH zunächst das umfangreiche Datensammeln von dem sozialen Netzwerk. Wie das OLG sich im Hauptsacheverfahren entscheidet und der Rechtsstreit ausgeht, bleibt abzuwarten.

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LG Köln: „Nirgendwo-günstiger“-Garantie ist irreführend und wettbewerbswidrig

Wir beleuchten das Urteil des LG Köln und erläutern, was unter unlauterer und insb. irreführender Werbung zu verstehen ist.

LG Köln: „Nirgendwo-günstiger“-Garantie ist irreführend und wettbewerbswidrig

Einleitung

Häufig sind Werbeaussagen provokant oder versprechen einem sehr viel, gerade um bei Verbrauchern im Gedächtnis zu bleiben. Solche Werbeaussagen verleiten geradezu dazu, sich über deren Zulässigkeit und Wahrheitsgehalt Gedanken zu machen.

Um solche markigen Werbeaussagen ging es auch in dem Rechtsstreit zwischen einem deutschen Versicherungsunternehmen und einem Internetvergleichsportal. Die Versicherungsgesellschaft, dessen Versicherungen nicht bei dem Vergleichsportal vermittelt werden, hat wegen unzulässiger Werbeaussagen gegen das Portal geklagt.

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand vor allem ein Werbeslogan des Vergleichsportals in einem Werbespot für Kfz-Versicherungen, in dem mit einer „Nirgendwo günstiger“-Garantie geworben wurde. Das Versicherungsunternehmen hielt diesen Slogan für unzulässig, weil er suggeriere, dass das Internetportal immer die günstigsten Versicherungen anbiete und vermittle. Dies sei nach Ansicht der Versicherungsgesellschaft jedoch nicht der Fall; es gäbe zum Teil bei anderen Anbietern oder Maklern günstigere Tarife.

Die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts (LG) Köln hat nun entschieden, ob die Werbeaussagen wettbewerbswidrig sind oder nicht.

Unlautere Werbung

Ob Werbung unlauter und demnach unzulässig ist, richtet sich nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Demnach können Werbeaussagen in vielerlei Hinsicht wettbewerbswidrig sein. Das UWG schützt Verbraucher sowie Mitbewerber.

Der Schutz der Mitbewerber wird vor allem in § 4 UWG deutlich. Die Norm zählt einzelne Handlungen in Bezug auf Mitbewerber auf, die wettbewerbswidrig sind. Beispiele sind gem. § 4 Nr. 1 UWG die Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers und nach § 4 Nr. 2 UWG das Anschwärzen oder die Kreditschädigung eines Mitbewerbers.

In den §§ 3, 5-7 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen gegen Verbraucher aufgelistet. Demnach kann vergleichende Werbung gem. § 6 UWG wettbewerbswidrig sein. Dies ist beispielweise gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG der Fall, wenn der Vergleich nicht objektiv auf wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen wird oder nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn sich eine vergleichende Werbung nicht auf nachprüfbare Tatsachen bezieht.

Werbung kann schließlich auch wettbewerbswidrig sein, wenn sie irreführend gem. § 5 UWG ist. Eine Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG liegt vor, wenn eine geschäftliche Handlung zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung beinhaltet. Hierbei kommt es auf die Beurteilung einer Person des maßgeblichen Verkehrskreises, also eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers, an. Es ist entscheidend, welchen Gesamteindruck das beworbene Produkt bei ihnen vermittelt. Die Gefahr der Irreführung muss sich nicht bei allen Mitgliedern des angesprochenen Verkehrskreises realisieren, es genügt, wenn ein erheblicher Teil den Werbeslogan als irreführend empfindet. Dabei ist es irrelevant, ob die Aussage objektiv richtig ist oder nicht, es kommt nur darauf an, was dem Verbraucher durch die Aussage vermittelt wird. Demnach kann eine objektiv richtige Aussage eine subjektive Fehlvorstellung hervorrufen, was zur Irreführung und Unlauterkeit führt. 

Eine Irreführung kann gem. § 5a UWG auch durch ein Unterlassen hervorgerufen werden. Dies ist anzunehmen, wenn dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, die er benötigt, um eine geschäftliche Entscheidung zu treffen oder das Vorenthalten der Information geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Handlung bewegen, die er sonst nicht vorgenommen hätte. 

Entscheidung des LG (Urt. v. 22.04.2020, Az. 84 O 76/19)

Das LG kam zu dem Schluss, dass die Werbung mit einer „Nirgendwo günstiger“-Garantie für den Verbraucher irreführend sein könnte. Verbrauchern, die sich für eine Autoversicherung interessieren, vermittle dies den Eindruck, bei dem Internetvergleichsportal immer den günstigsten Tarif zu erhalten. Das Garantieversprechen suggeriere zudem, dass das Vergleichsportal die Gewähr dafür übernehme, dass wirklich kein anderer Anbieter für Kfz-Versicherungen günstiger sei. Dies sei jedoch, so auch nach Ansicht der Versicherungsgesellschaft, nicht der Fall. Das LG stellte klar, dass das Vergleichsportal nur in ca. achtzig Prozent der Fälle den am Markt günstigsten Preis anbiete.

Die kurze Einblendung im Werbespot, dass der Kunde eine Entschädigung erhalte, wenn das Vergleichsportal doch nicht den günstigsten Tarif anbiete, schließe die Irreführung nicht aus und mache sie erst recht nicht unschädlich. Das Anbieten einer Entschädigung erwecke beim Verbraucher nur den Eindruck, dass es sich in einem solchen Fall um einen äußerst seltenen „Ausreißer“ handele, so das Kölner Gericht. Folglich stelle die „Nirgendwo-günstiger“-Garantie eine Irreführung nach §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar und sei mithin wettbewerbswidrig.

Das LG bemäkelte zudem weitere Werbeaussagen des Vergleichsportals. Auf der Website des Portals wurde auf eine vermeintlich schlechte Schadensregulierung der klagenden Versicherungsgesellschaft hingewiesen. Dieser Hinweis war nur für Portalbesucher sichtbar, die vorher angaben, ihr Kfz bei der Klägerin versichert zu haben. Das LG hielt den Hinweis für rechtswidrig, weil die Kritik für das versicherungsunternehmen diffamierend, einseitig und zudem wenig fundiert sei. Dies stelle ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 1, 2 UWG dar.

Des Weiteren sei die Verwendung des Tarifnotensystems des Internetportals unzulässig, da die Kriterien willkürlich und für den Verbraucher nicht nachvollziehbar seien. Es fehle an der nötigen Transparenz. Nach Ansicht des LG sei dies eine unzulässige vergleichende Werbung im Sinne der §§ 3, 6 Abs. 2 UWG.

Darüber hinaus kritisierte das LG, dass das Vergleichsportal mit Testsiegeln werbe, ohne dass ersichtlich sei, um welchen Test es sich handele und ohne eine Fundstelle der Testergebnisse zu nennen. Das Werben mit den Testsiegeln sei in der konkreten Form also rechtswidrig gem. §§ 3, 5a UWG.

Das LG hat der Klage des Versicherungsunternehmens stattgegeben und die verschiedenen Werbeaussagen des Vergleichsportals für unzulässig erklärt. Das Internetportal wurde unter anderem zur Unterlassung der unzulässigen Werbeaussagen und zum Schadensersatz verurteilt.

Fazit

Dies war nicht das erste Gerichtsverfahren zwischen dem Internetvergleichsportal und dem Versicherungsunternehmen; die Parteien sind seit einigen Jahren immer mal wieder in Rechtstreitigkeiten verwickelt. So auch 2018, als das LG Köln (Urt. v. 18.09.2018 – 31 O 376/17) bereits eine Werbung mit der „Nirgendwo günstiger“-Garantie untersagt hatte. Das Vergleichsportal hatte seine Werbung sodann geringfügig angepasst. Die vermehrten Rechtsstreitigkeiten könnten auf den Konkurrenzkampf in der Kfz-Versicherungsbranche zurückzuführen sein.

Das Urteil des LG ist bisher noch nicht rechtskräftig, das Vergleichsportal kann noch in Berufung gehen. Es bleibt also abzuwarten, ob es bei der Entscheidung bleibt, oder ob die nächsthöhere Instanz eventuell anders entscheidet.

 

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EuGH: Fluggesellschaften sind zu transparenten Preisangaben verpflichtet

Wir erklären, welche Preisbestandteile bereits vor der Flugbuchung im Endpreis enthalten sein müssen.

EuGH: Fluggesellschaften sind zu transparenten Preisangaben verpflichtet

Einleitung

Oftmals treffen Verbraucher auf sehr günstige Flugpreise, um dann im Nachhinein festzustellen, dass zu den vermeintlich sehr günstigen Preisen noch erhebliche Kosten dazukommen und der tatsächliche Endpreis sehr von dem zunächst angegebenen Preis abweicht. Im Rahmen des Verbraucherschutzes muss die Preisgestaltung transparent sein, um stark beschönigte Flugpreise zu verhindern.

Grundlage dieses Artikels ist ein langjähriger Rechtsstreit zwischen einer irischen Billigfluggesellschaft und der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde. Letztere war bereits 2011 der Ansicht, dass die Preisangaben des Luftfahrtunternehmens nicht transparent seien, sodass mehrere Bußgelder verhängt wurden. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde fehlte bei den Preisangaben eine Auflistung und Nennung von Check-in Kosten, der Mehrwertsteuer sowohl für Inlandsflüge als auch für fakultative Zusatzleistungen, sowie Gebühren für Kreditkartenzahlungen mit einer anderen als der von der Fluggesellschaft bevorzugten Kreditkarte. Die Fluggesellschaft klagte schließlich vor den italienischen Verwaltungsgerichten. Sie sah in den bereits benannten Kosten fakultative Zusatzkosten, die nicht von vornherein angegeben werden müssten.

Das italienische Verwaltungsgericht gab der Aufsichtsbehörde Recht, sodass das Luftfahrtunternehmen Rechtsmittel einlegte und der Fall zum italienischen Staatsrat ging. Dieser rief nun den EuGH an, um eine Auslegung des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 (Verordnung über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft) zu erlangen. Es ging um die Klärung der Frage, ob die betreffenden Preisbestandteile bei einer Preisangabe noch vor der Buchung angegeben werden müssen.

Obligatorische oder fakultative Kosten?

Gem. Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 müssen der Öffentlichkeit zugängliche Flugpreise stets den Endpreis sowie alle anfallenden unvermeidbaren Zusatzkosten wie Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte enthalten. Es ist zwischen obligatorischen und fakultativen Kosten zu unterscheiden.

Im vorliegenden Rechtsstreit kommt es nun gezielt darauf an, ob die betreffenden Preisbestandteile obligatorisch sind, sodass sie bei der Veröffentlichung des Endpreises mitangegeben werden müssen, oder ob sie fakultativ im Sinne der Verordnung sind. Wenn letzteres der Fall ist, müssen die Kostenbestandteile erst zu Beginn des jeweiligen Buchungsvorgangs offengelegt werden.

Obligatorische Kosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 sind solche, die unvermeidbar und von vornherein vorhersehbar sind. Demgegenüber sind fakultative Kosten nach Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung Nr. 1008/2008 optionale Kosten für eventuelle Zusatzleistungen, die von den jeweiligen Kunden auf opt-in-Basis hinzubuchbar sind. Der EuGH ergänzt, dass dies vor allem Dienste sind, die für die Beförderung der Fluggäste weder zwingend noch unerlässlich sind, sodass der Kunde die Wahl hat, diese anzunehmen oder abzulehnen. 

Entscheidung des EuGH (Urt. v. 23.04.2020 – Az. C-28/19)

Nach Ansicht des EuGH ist nicht direkt davon auszugehen, dass Check-in Kosten als unvermeidbar und obligatorisch einzustufen sind, nur weil ein Check-in an sich unumgänglich ist. Es müsse den Luftfahrtunternehmen überlassen werden, ob sie den Fluggästen mehrere, ggf. kostenlose und kostenpflichte Arten des Check-ins zur Verfügung stellen. Sofern eine Fluggesellschaft neben einem kostenpflichten Check-in auch einen gebührenfreien Check-in anbiete, seien die Check-in Kosten keine obligatorischen Kosten, sondern nur fakultative Zusatzkosten. Dies liege daran, dass der Verbraucher dann selbst entscheiden könne, welche Art des Check-ins er wählt. Check-in Gebühren seien nur dann obligatorisch, wenn alle angebotenen Arten des Check-ins für den Verbraucher kostenpflichtig sind. In diesem Fall müsse der Verbraucher stets Gebühren für den Check-in entrichten, sodass die Kosten als unvermeidbar und vorhersehbar im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 anzusehen seien.

Der EuGH beruft sich bezüglich der Mehrwertsteuer für Inlandsflüge darauf, dass Steuern explizit in Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 als obligatorische Kosten genannt sind, sodass sie stets als unvermeidbar und vorhersehbar anzusehen sind. Die für Inlandsflüge anfallende Mehrwertsteuer würde anhand von nationalen Vorschriften erhoben und automatisch bei jedem Buchungsvorgang eines Inlandsfluges berechnet werden. Demnach müsse sie im bereits vor dem Buchungsvorgang veröffentlichten Endpreis enthalten sein.

Letzteres gelte jedoch nicht für die Mehrwertsteuer für jegliche Leistungen. Nach Ansicht des EuGH ist danach zu differenzieren, wofür die Mehrwertsteuer erhoben wird. Die Mehrwertsteuer für fakultative Zusatzleistungen sei gerade kein obligatorischer Preisbestandteil, weil sie nicht vorhersehbar sei. Es sei nicht von vornherein klar, welche Zusatzleistungen der Kunde buchen möchte und dementsprechend auch nicht, in welcher Höhe die Mehrwertsteuer ausfalle. Die jeweiligen Steuern würden folglich untrennbar mit der Buchung der jeweiligen Zusatzleistungen zusammenhängen und würden deswegen nur fakultative Zusatzkosten darstellen (Art. 23 Abs. 1 S. 4 der Verordnung Nr. 1008/2008). Die jeweils anfallende Mehrwertsteuer müsse sodann erst nach Auswahl der jeweiligen Zusatzleistungen angegeben werden.

Zuletzt ging es um die anfallenden Gebühren, wenn mit einer anderen, als der von dem Luftfahrtunternehmen bevorzugten Kreditkarte gezahlt wird. Nach Ansicht des EuGH stellen diese Gebühren vorhersehbare Kosten dar, weil sie lediglich auf die Politik der Fluggesellschaft in Hinblick auf die Zahlungsweise selbst zurückzuführen sind. Diese Verwaltungsgebühren wären für den Verbraucher vermeidbar, wenn er die bevorzugte Kreditkarte zur Zahlung verwende. Solche Zusatzkosten könnten jedoch nicht gleich als fakultativ anzusehen sein, wenn die Wahl, die dem Verbraucher geboten wird, von einer von der Fluggesellschaft vorgegebenen Bedingung abhänge und die Leistung nur für einen bestimmten Kreis privilegierter Verbraucher gebührenfrei sei und für die anderen Verbraucher stets zusätzliche Kosten anfallen würden. Daraus folgt laut EuGH, dass die Gebühren „fremder“ Kreditkarten auch als unvermeidbar einzustufen sind und sie deshalb einen obligatorischen Preisbestandteil im Sinne des Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 der Verordnung Nr. 1008/2008 darstellen.

Fazit

Es ist festzuhalten, dass nach Auffassung des EuGH die Check-in Gebühren, sofern es keine kostenfreie Möglichkeit für den Check-in gibt, sowie die Mehrwertsteuer für Inlandsflüge und Verwaltungsgebühren für Kreditkartenzahlungen mit einer anderen als von der Fluggesellschaft bevorzugten Kreditkarte, als obligatorische Kosten im Sinne der Verordnung anzusehen sind. Diese Kosten müssten im Rahmen einer Flugbuchung übers Internet direkt im angezeigten Endpreis enthalten sein. Demgegenüber seien Check-in Kosten, sofern auch eine kostenlose Möglichkeit des Check-ins zur Verfügung stehe, sowie die Mehrwertsteuer auf optionale Zusatzleistungen fakultative Preisbestandteile. Diese Kostenbestandteile müssten folglich erst am Anfang des Buchungsvorgangs offengelegt werden.

Die Luxemburger Richter verlangen nun eine verstärkte Transparenz von Flugpreisen, um dem Verbraucherschutz gerecht zu werden. Es sollen stark beschönigte Preisangaben in Zukunft verhindert werden.

Der EuGH hat mit seinem Urteil nur auf Antrag des italienischen Gerichts die EU-Verordnung ausgelegt, um europarechtliche Rechtsfragen vorab zu klären. Mit dem Urteil wurde nicht der Rechtsstreit entschieden. Dies obliegt nun den italienischen Verwaltungsgerichten. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die italienischen Gerichte an dem Urteil des EuGH orientieren und ähnlich entscheiden werden.

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Art. 82 DS-GVO: Immaterieller Schadensersatz bei Datenschutzverstößen

Wir erläutern, was unter einem immateriellen Schaden zu verstehen ist und inwieweit Schadenserstaz für solche Schäden geleistet wird.

Art. 82 DS-GVO: Immaterieller Schadensersatz bei datenschutzverstößen

Einleitung

Sofern Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) einen Schaden verursachen, ist dieser dem Betroffenen gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu ersetzen. Im Gegensatz zur alten Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG a.F.) sind nicht nur Vermögensschäden, sondern auch ausdrücklich immaterielle Schäden erfasst. Im BDSG a.F. wurde lediglich vom Oberbegriff des Schadens gesprochen, womit regelmäßig nur ein materieller Schaden gemeint war.

In der DS-GVO wird der Begriff des immateriellen Schadens nicht weiter definiert, es ist mithin schwierig abzugrenzen, was genau darunterfällt und in welcher Höhe Schadensersatz zu gewähren wäre. Im Folgenden soll näher darauf eingegangen werden, was unter einem immateriellen Schaden im Sinne der DS-GVO zu verstehen ist und welche Arten von Schäden darunterfallen.  

Begriff des immateriellen Schadens

Nach allgemeiner Definition ist unter einem immateriellen Schaden ein Nichtvermögensschaden zu verstehen. Der Begriff des Nichtvermögensschadens muss nun weiter konkretisiert werden. Gemäß Erwägungsgrund 146 S. 3 der DS-GVO ist nach europäischer Rechtsprechung ein weites Begriffsverständnis des immateriellen Schadens zugrunde zu legen. Danach könnte jeder  Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO, unabhängig von seinem Schweregrad, bereits einen immateriellen Schaden begründen. Diese Auslegung wurde auch schon für Entscheidungen von österreichischen und niederländischen Gerichten beherzigt. Hierfür spricht zunächst, dass der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO keine Beschränkung auf bspw. schwere Verstöße vorsieht. Im Umkehrschluss müssten also auch nur leichte Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu einem immateriellen Schaden führen können. Zudem sollte der Schadensersatz der DS-GVO durch eine großzügige Schadensersatzgewährung eine abschreckende Wirkung entfalten, in der Hoffnung die Anzahl an Verstößen in Zukunft minimieren zu können. Die Gegenansicht kritisiert, dass durch die weite Auslegung des Nichtvermögensschadens ein erhöhtes Missbrauchspotenzial des nahezu voraussetzungslosen immateriellen Schadensersatzanspruchs folgen könnte. Zudem stünde die weite Auslegung im Widerspruch zum deutschen Schadensrecht . Dies liegt daran, dass das deutsche Recht keinen Strafschadensersatz kennt und traditionell zurückhaltend und restriktiv mit Nichtvermögensschäden umgeht. Aufgrund der weiten Auslegung könnten Betroffene sodann immaterielle Bagatellschäden im Bereich des Datenschutzrechts geltend machen, in anderen Schutzbereichen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch nicht, da hier ein enges Begriffsverständnis des Nichtvermögensschadens zugrunde gelegt wird.

Da von deutschen Gerichten der Begriff des immateriellen Schadens enger verstanden wird, gewähren sie nur in zurückhaltender Weise Schadensersatz. Ein Schaden soll erst mit einer konkreten und nicht nur individuell empfundenen Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben sein. Dies wird unter anderem auf Erwägungsgrund 85 der DS-GVO gestützt, welcher als Beispiele für einen Schaden eine Rufschädigung oder eine Diskriminierung  nennt. Hiervon lässt sich eine gewisse Erheblichkeitshürde ableiten, sodass bloße Bagatellschäden, sowie individuell empfundene Unannehmlichkeiten nicht ersatzfähig sind. Einen Bagatellschaden hat das Amtsgericht Diez (Urt. v. 07.11.2018, Az.: 8 C 130/18) bspw. bei einer unerlaubten E-Mail-Werbung angenommen. Es handelte sich lediglich um eine E-Mail, welche nach Ansicht des Gerichts keinen spürbaren Nachteil, sondern nur eine Unannehmlichkeit für den Empfänger darstellte. Ob bei mehrfachen Bagatellschäden desselben Betroffenen ausnahmsweise ein Schadensersatz gewährt werden kann, ist aufgrund der geringen Anzahl an deutschen Urteilen bisher noch ungeklärt.

Höhe des Schadensersatzes

Die Bezifferung der Schadenshöhe orientiert sich an der Genugtuungs- und Abschreckungsfunktion des Schmerzensgeldes und steht mithin im Ermessen der Gerichte. Auf diesem Wege soll ebenfalls erreicht werden, künftigen Datenschutzverstößen entgegenzuwirken.

Kausalität und Beweislast

Art. 82 Abs. 1 DS-GVO fordert eine gewisse Kausalität zwischen dem Datenschutzverstoß und dem entstandenen Schaden. Der Schaden muss gerade wegen des Verstoßes gegen die DS-GVO entstanden sein. Folglich wird eine hinreichende Kausalität verlangt. Dem schließen sich auch deutsche Gerichte an.

Im Unionsrecht fehlen allgemeine Bestimmungen zur Beweislastregelung, sodass in den konkreten Fällen auf das nationale Recht zurückgegriffen werden muss. Im deutschen Recht ist derweil noch umstritten, welche Beweislastregeln gelten sollen.

Teilweise wird vertreten, dass aus der Rechenschaftspflicht des Verantwortlichen aus Art. 5 Abs. 2 DS-GVO und den Nachweispflichten des Verantwortlichen aus Art. 24 Abs. 1 DS-GVO eine weitgehende Beweislastumkehr zulasten des Verantwortlichen folgt, sodass der Verantwortliche das Nichtvorliegen des Datenschutzverstoßes belegen muss.

Die Gegenansicht zieht die  heran, sodass jede Partei die Beweislast für ihre Behauptungen trägt. Jedoch wird gem. Art. 82 Abs. 3 DS-GVO ein Verschulden des Verantwortlichen widerlegbar vermutet. Daraus folgt, dass der Verantwortliche von einer Haftung nur befreit ist, sofern er nachweist, dass er in keiner Weise für den Schaden verantwortlich ist. Als Beispiel für die bisherige deutsche Rechtsprechung folgt das LG Karlsruhe (Urt. v. 02.08.2019, Az.: 8 O 26/19) letztgenannter Ansicht und zieht die zivilprozessualen Regeln heran, sodass der Betroffene grundsätzlich die Beweislast für den haftungsbegründenden Tatbestand trägt, das Verschulden des Verantwortlichen jedoch nach Art. 82 Abs. 3 DS-GVO vermutet wird.

Beide Ansätze stellen einen großen Unterschied zum Schadensersatzanspruch nach dem BDSG a.F. dar, wonach keine Verschuldensvermutung zulasten des Verantwortlichen galt. In der Vergangenheit war es schwer für Geschädigte, das Vorliegen des haftungsbegründenden Tatbestands hinreichend belegen zu können.  Mithin scheiterten die Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz meist aufgrund der Beweislastregeln.

Fazit

Innerhalb der EU findet derweil keine einheitliche Anwendung des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO statt, da der Begriff des immateriellen Schadens unterschiedlich weit ausgelegt wird. Vor allem die deutsche Rechtsprechung verwendet entgegen des Wortlauts des Erwägungsgrundes 146 der DS-GVO (weite Auslegung) eine enge Auslegung des immateriellen Schadensbegriffs. Deutsche Gerichte fordern bisher einen spürbaren Persönlichkeitsrechtsverstoß, der weit über eine Bagatelle hinausgeht. Zudem bestehen unterschiedliche Ansichten bezüglich der Beweislast.

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Datenschutz im Home Office

Ist die Arbeit im Home Office mit den strengen Regeln der DS-GVO vereinbar? Wir erklären, was aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beachten ist.

DATENSCHUTZ IM HOME OFFICE

Einleitung

Aufgrund der andauernden Corona-Pandemie verschlägt es immer mehr Arbeitnehmer ins Home Office. Viele Unternehmen ermöglichen ihren Arbeitnehmern bereits seit Mitte März ihre Arbeit von zuhause aus zu verrichten. Dies führte zu einer plötzlichen Digitalisierung der Arbeitsplätze ohne jegliche Vorlaufzeit. Etliche Unternehmen hatten nicht genügend Zeit, um sich auf die Heimarbeit ihrer Angestellten vorzubereiten und technische Maßnahmen für einen reibungslosen Ablauf bereitzustellen. Da die Arbeit von zuhause aus jedoch wegen der Verringerung des Infektionsrisikos enorm wichtig ist, geschah dies quasi von einem auf den anderen Tag. Es war und ist vor allem für Betriebe, die vorher noch keinerlei Erfahrung mit Heimarbeit hatten und bei denen die Arbeit aus dem Home Office eher unüblich war, eine große Umstellung.

In Zeiten wie diesen wird der Gesundheitsschutz großgeschrieben, dennoch darf der Datenschutz nicht völlig vernachlässigt werden. Es muss sich auch weiterhin an die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gehalten werden, auch wenn dies vor allem zu Anfang schwierig erscheint, gerade weil viele Unternehmen vorher nicht auf Heimarbeit ausgerichtet waren. Um den Datenschutz auch jetzt gewährleisten zu können, müssen Arbeitgeber nun dafür Sorge tragen, dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um die Heimarbeit sicher zu gestalten.

Umsetzung vom Home Office

Eine generelle Pflicht des Arbeitnehmers, im Home Office zu arbeiten, gibt es nicht. Der Arbeitgeber kann seine Arbeitnehmer nur dann anweisen Heimarbeit zu leisten, wenn sie dies individualvertraglich vereinbart haben oder es in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ausdrücklich geregelt ist. Sofern es an solch einer Regelung fehlt, bedarf es stets der Zustimmung des Arbeitnehmers.

Viele Unternehmen haben nun wegen des Gesundheitsschutzes weitestgehend auf Heimarbeit umgestellt und deshalb auf Home Office-Vereinbarungen und -Richtlinien zurückgegriffen, häufig in Form von Zusätzen zu den Arbeitsverträgen oder als Betriebsvereinbarungen. In den Vereinbarungen wird in der Regel der Ablauf der Heimarbeit festgelegt, um den arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Anforderungen zu entsprechen. Zudem werden die Arbeitnehmer über neue Pflichten in Bezug auf den Datenschutz informiert.

Datenschutz im Home Office

Die Arbeit aus dem Home Office birgt einige Risiken für den Schutz personenbezogener Daten, insbesondere für Vertraulichkeit, Integrität und ggf. auch Verfügbarkeit. Unter normalen Umständen, wenn im Büro gearbeitet wird, hat der Arbeitgeber die Kontrolle über die Datenverarbeitung. Sobald die Beschäftigten zuhause arbeiten, besteht jedoch häufig keine unmittelbare Kontroll- und Zugriffmöglichkeit des Arbeitgebers auf die jeweiligen Daten und deren Verarbeitung, sowie die IT-Sicherheit im Allgemeinen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Heimarbeit nicht ausschließlich über Firmen-Endgeräte und per VPN (Virtual Private Network) des Unternehmens erfolgt.

Um den Schutz der personenbezogenen Daten zu gewährleisten, sind technische und organisatorische Maßnahmen vom Arbeitgeber zu treffen. Es sollen vor allem die Übertragungswege gesichert und Daten verschlüsselt werden. Zudem sollen den Arbeitnehmern klare Vorgaben zur Nutzung von eventuell bereitgestellten Endgeräten (wie Laptops) und zur Einrichtung des häuslichen Arbeitsplatzes gegeben werden. Dies geschieht meist über Online-Schulungen und/oder die jeweiligen Home Office-Richtlinien.

Sofern möglich, statten die Unternehmen ihre Angestellten mit Firmen-Hardware aus, die von der jeweiligen IT-Abteilung datenschutzkonform eingerichtet und abgesichert wurde. Indem Laptops und Handys vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, können zumindest die technischen Datenschutzvorgaben und ggf. auch die IT-Sicherheit gewährleistet werden, insbesondere in Bezug auf Zugriffsbeschränkungen und Löschregeln. Da manche Unternehmen aufgrund der kurzen Zeit nicht über genügend Firmen-Hardware verfügen, kann es den Arbeitnehmern auch gestattet sein, ihre eigenen Endgeräte für die Arbeit zu nutzen. Das sind dann Fälle des BYOD (bring your own device). Die Nutzung von eigener Hardware darf aber nur in Absprache mit dem Arbeitgeber erfolgen.  

Damit der Arbeitsplatz zuhause sicher ist, sollte eine VPN-Verbindung zum Firmennetzwerk bestehen (am besten noch mit anschließender Zwei-Faktor-Authentifizierung). Des Weiteren ist darauf zu achten, dass eine sichere (passwortgeschützte) WLAN-Verbindung genutzt wird und eine intakte Firewall besteht. Zudem sollten Passwörter verwendet werden, um den Zugriff von Dritten auf die Arbeitsmaterialien zu verhindern. Unter Dritten sind auch und vor allem Personen aus dem eigenen Haushalt zu verstehen.

Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass, sofern Papierakten oder Papierdokumente genutzt werden, diese nach der Arbeit und auch in Pausen sicher weggeschlossen werden, um einen Zugriff von Seiten Dritter zu vermeiden. Die Entsorgung von den Papierdokumenten sollte sodann auch nicht im Hausmüll erfolgen.  

Video-Konferenzen und Datenschutz

Viele Unternehmen nutzen Video-Konferenzen, damit Meetings und Besprechungen auch im Home Office stattfinden können. Der Arbeitsalltag soll so „normal“ wie möglich sein. Da in den jeweiligen Konferenzen häufig die Bildschirme gespiegelt und personenbezogene Daten geteilt werden sowie ggf. auch über Betriebsgeheimnisse gesprochen wird, stellt sich die Frage, was bei Video-Konferenzen datenschutzrechtlich zu beachten ist.

Es ist zunächst bei der Auswahl des Anbieters darauf zu achten, wo dieser seinen Sitz hat. Es sollten möglichst Dienstleister aus der EU/dem EWR in Anspruch genommen werden, da diese den Vorschriften der DS-GVO unmittelbar unterliegen. Anbieter mit Sitz in einem Drittland dürfen die Daten nur verarbeiten, sofern in dem jeweiligen Land ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist (Art. 45 DS-GVO) oder geeignete Garantien bestehen (Art. 46 DS-GVO). Bei der Auswahl sollten des Weiteren etwaige Business-Versionen der Video-Tools bevorzugt werden, da sie häufig über höhere Sicherheitsstandards verfügen.

Sobald die Auswahl auf einen Anbieter bzw. eine Software gefallen ist, sollte darauf geachtet werden, dass zusätzlich technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten getroffen werden. Es sollte bspw. sichergestellt sein, dass das Programm die gesendeten Daten auch verschlüsselt übermittelt. Zudem sind in dem jeweiligen Programm ggf. die Datenschutzeinstellungen nochmal manuell zu konfigurieren, um einen umfassenden Schutz der personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Die Vorabeinstellungen sind nicht immer die datenschutzfreundlichsten. Es ist hierbei insbesondere sicherzustellen, dass übermittelte Dateien und Videomitschnitte nach einem festen Zeitraum gelöscht werden.

Des Weiteren ist zu beachten, dass Einladungen zu Video-Konferenzen nur an die Personen, bzw. Mitarbeiter gehen, die auch die nötige Freigabe für die zu besprechenden Themen und Inhalte haben. Während der Video-Konferenz sollten die Teilnehmer zudem darauf achten, möglichst vor einem neutralen Hintergrund zu sitzen, damit nicht mehr Informationen und Daten als nötig geteilt werden. Um dies zu verhindern gibt es bei manchen Softwares auch die Möglichkeit, während der Video-Konferenz den Hintergrund verschwimmen zu lassen. Die Beteiligten der Video-Konferenz sind außerdem stets darüber zu informieren, wenn Teile oder auch die ganze Sitzung mitgeschnitten wird.

Fazit

Es ist festzuhalten, dass viele Unternehmen nicht darauf ausgerichtet waren, die Arbeitsplätze der Beschäftigten zu digitalisieren, schon gar nicht in solch einer kurzen Zeit. Inzwischen hat sich die anfängliche Aufregung um die plötzliche Umstellung ins Home Office wieder etwas gelegt; dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen schnell gehandelt haben, indem sie Home Office-Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern getroffen haben, die nun für Rechtssicherheit sorgen. Es lag an den Arbeitgebern auch weiterhin für einen ausreichenden Datenschutz zu sorgen und den Regeln der DS-GVO gerecht zu werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterliegen demnach den Pflichten, personenbezogene Daten auch bei der Heimarbeit vertraulich zu behandeln, indem der Zugriff von Dritten verhindert wird, sowie Verschlüsselungen und Passwörter genutzt werden.

Bei Video-Konferenzen ist ganz besonders darauf zu achten, dass der Datenschutz gewahrt wird. Es ist wichtig, sich vor der Nutzung der jeweiligen Software darüber zu informieren, in welchem Land der Anbieter seinen Sitz hat. Dies entscheidend darüber, ob der Dienstleister unmittelbar an die Vorschriften der DS-GVO gebunden ist oder nicht. Zudem sind die Vorabeinstellungen der Video-Tools genauestens zu prüfen: Daten sollten verschlüsselt übermittelt werden und es sollten feste Löschzeiträume vorliegen.

 

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Privacy by Design und Privacy by Default

Im Folgenden beleuchten wir die beiden Datenschutzkonzepte und ihre Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht.

Privacy by design und privacy by default

Einleitung

Die Grundsätze Privacy by Design und Privacy by Default sind in Art. 25 Abs. 1 und 2 DS-GVO verankert. Sie verpflichten die Verantwortlichen zu Datenschutz durch Technikgestaltung bzw. zu datenschutzfreundlichen Voreinstellungen. Verantwortliche sollen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen (TOMs) treffen, die darauf ausgelegt sind, die Datenschutzgrundsätze wirksam umzusetzen und um sicherzustellen, dass durch Voreinstellungen einer Software grundsätzlich nur personenbezogene Daten, deren Verarbeitung für den jeweiligen bestimmten Verarbeitungszweck erforderlich sind, verarbeitet werden. Mit den genannten Datenschutzgrundsätzen ist bspw. die Datenminimierung gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO gemeint, die vorschreibt, dass personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen.

Regelung vor Einführung der DS-GVO

Das Konzept des Privacy by Design war dem Datenschutzrecht schon vor der Einführung der DS-GVO geläufig; es war bereits in Art. 17 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) angelegt, welcher die Verpflichtung enthielt, geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz gegen eine unrechtmäßige Verarbeitung erforderlich sind. Art. 25 DS-GVO präzisiert dies und führt eine Rechtspflicht mit echter Verpflichtungsqualität ein. Demnach können die Aufsichtsbehörden über Art. 58 Abs. 2 lit. d DS-GVO die Einhaltung und Umsetzung anordnen und den Verantwortlichen kann im Fall eines Verstoßes ein Bußgeld treffen.

Pflichteninhalt des Art. 25 DS-GVO

Normadressat

Durch die Verpflichtungen des Art. 25 DS-GVO wird ausschließlich der Verantwortliche adressiert. Verantwortlicher ist im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 DS-GVO diejenige Stelle, die über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten entscheidet. Die Hersteller von Produkten, Diensten und Anwendungen sind also nicht unmittelbar von der Pflicht zum Datenschutz durch Technikgestaltung betroffen. Gleichsam liegt dem Art. 25 DS-GVO jedoch der Gedanke zugrunde, dass die unmittelbare Verpflichtung des Verantwortlichen zu einer Nachfrage beim Hersteller nach datenschutzrechtlich zulässigen Produkten führt und die Regelungen des Art. 25 DS-GVO so auch mittelbar auf die Hersteller ausstrahlen.

Inhalt der Verpflichtungen

Datenschutz durch Technikgestaltung (Privacy by Design) ist präventiv ausgerichtet und betrachtet Technik nicht nur als Regelungsgegenstand des Datenschutzes, sondern vielmehr als potenzielles Durchsetzungswerkzeug, indem die Vorgaben des Datenschutzes bereits in die Programmierung und Konzeption von Datenverarbeitungsvorgängen eingebunden und schließlich berücksichtigt werden. So hat der Verpflichtete bereits bei der Produktentwicklung, der Einführung von Systemen und der Gestaltung von Prozessen geeignete technischen und organisatorischen Maßnahmen vorzusehen, um die Datenschutzgrundsätze (bspw. Datenminimierung oder Transparenz) umzusetzen und die notwendigen Garantien in die Verarbeitung aufzunehmen. Technische Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang sowohl physische Vorkehrungen, die sich auf den Vorgang der Datenverarbeitung erstrecken (bspw. bauliche Maßnahmen, um den Zutritt Unbefugter zu verhindern) als auch Vorkehrungen, die den Software- und Hardwareprozess der Verarbeitung datenschutzkonform ausgestalten. Organisatorische Maßnahmen hingegen umfassen hauptsächlich äußere Rahmenbedingungen des technischen Verarbeitungsprozesses. Zum Privacy by Design zählen demnach Maßnahmen wie Pseudonymisierung und Anonymisierung, bei denen personenbezogene Identifikationsmerkmale von Inhaltsdaten getrennt werden. Darüber hinaus ist auch die systemseitige Gewährleistung erfasst, nach der bereits erhobene personenbezogene Daten schnellstmöglich wieder gelöscht werden. Art. 25 DS-GVO zielt ebenfalls darauf ab, dass eine technische Umsetzung des Widerspruchsrechts realisiert wird, sodass der Betroffene seinen Widerspruch mittels automatisierter Verfahren ausüben kann.

Datenschutz durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen (Privacy by Default) ist so umzusetzen, dass anhand von Standardeinstellungen grundsätzlich nur personenbezogene Daten verarbeitet werden, die für den jeweiligen Zweck erforderlich sind. Um dem gerecht zu werden, muss das System in seinen Grundeinstellungen so eingerichtet und konfiguriert sein, dass ein datenschutzkonformes Arbeiten ermöglicht wird. Für den Hersteller bedeutet dies, dass die Produkte so zur Verfügung gestellt werden müssen, dass datenschutzfreundliche Einstellungen bereits eingepflegt und nachvollziehbar dokumentiert sind.

Mögliche Konsequenzen für das Gewährleistungsrecht

Durch die verbindlichen Verpflichtungen des Art. 25 DS-GVO tritt nun noch dringender als zuvor die Frage auf, ob ein Softwareprodukt, das den Grundsätzen des Datenschutzrechts nicht genügt, mit einem Sachmangel behaftet ist und Gewährleistungsansprüche auslöst. Abhängig davon, ob sich der Vertragsinhalt auf die dauerhafte Überlassung von Standardsoftware ohne Anpassungsarbeiten oder die Erstellung von Individualsoftware mit einem konkreten Funktionsumfang bezieht, handelt es sich entweder um einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) oder einen Werkvertrag (§ 631 BGB). Damit Gewährleistungsrechte ausgelöst werden, bedarf es stets eines Sachmangels. Dieser liegt gem. §§ 434, 633 BGB grundsätzlich vor, wenn die Ist-Beschaffenheit des Produkts negativ von seiner Soll-Beschaffenheit abweicht.

§ 434 Abs. 1 S. 1, 633 Abs. 2 S. 1 BGB: Vereinbarte Beschaffenheit

Eine Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien gem. §§ 434 Abs. 1 S. 1, 633 Abs. 2 S. 1 BGB wäre gegeben, wenn die Parteien sich ausdrücklich vertraglich darüber einigen, welche personenbezogenen Daten in welcher Weise über die Software verarbeitet werden sollen und dass die Software den datenschutzrechtlichen Vorgaben genügen soll. Fehlt es der Software sodann an der Erfüllung dieser datenschutzrechtlichen Voraussetzungen, liegt zwar ein Sachmangel vor, dieser ergibt sich aber nicht unmittelbar aus der Ausstrahlungswirkung des Art. 25 DS-GVO, sondern maßgeblich aus der parteilich vereinbarten Beschaffenheit.

§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB: Eignung der Sache zur vertragsgemäßen Verwendung

Ein Mangel liegt nach dem subjektiven Fehlerbegriff der §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB auch dann vor, wenn sich die Software nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. In diesem Zusammenhang kann auch die fehlende Einhaltung von gesetzlichen Ge- oder Verboten durch den Vertragsgegenstand die vertraglich vorausgesetzte Verwendung entfallen lassen. Dieser Grundsatz wurde vom Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Urt. v. 14.11.1994, Az. 31 U 105/94) bereits auch auf Softwareprodukte übertragen, sodass ein Softwareprodukt auch dann mangelhaft sein kann, wenn es grundsätzlich funktionsfähig ist, aber nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Dies wird nach überwiegender Auffassung jedoch dahingehend wieder eingeschränkt, dass die Parteien die konkrete Verwendung zur Datenverarbeitung in der Vertragsverhandlung hätten erwähnen müssen, damit die gesetzlichen Anforderungen des Datenschutzrechts für den Anbieter erkennbar sind.

§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Übliche Beschaffenheit

Ein Sachmangel ist zudem gegeben, wenn das Produkt nicht die übliche vertragliche Beschaffenheit aufweist. Hiervon können auch die rechtlichen Vorgaben des Datenschutzrechts erfasst sein. Werden diese Vorgaben von der Software nicht realisiert, entfällt die Eignung für den gewöhnlichen Gebrauch. Die vorausgesetzte Verwendung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten muss sich aber aus dem Vertrag ergeben, sodass ein Sachmangel wohl nur dann vorliegt, wenn die Software ihrer Funktionsweise nach gerade auf die Verarbeitung personenbezogener Daten angelegt ist.

Fazit

Privacy by Design und Privacy by Default stellen Maßnahmen dar, die darauf ausgerichtet sind, personenbezogene Daten der Betroffen zu schützen und dies durch zeitlich vorhergehende Vorkehrungen zu gewährleisten. Die jeweilige Technik oder Software soll so gestaltet sein, dass es von vornherein zu weniger Datenschutzverstößen kommt und die Voreinstellungen der jeweiligen Software bereits datenschutzfreundlich sind. Letzteres soll vor allem dazu beitragen, dass auch die Daten von technikunerfahrenen Nutzern geschützt sind, ohne dass diese eigenhändig Einstellungen zum Schutz ihrer Daten treffen müssen.  

Eine Software, die nach der vertraglich vorausgesetzten Verwendung oder der gewöhnlichen Beschaffenheit zur Verarbeitung personenbezogener Daten genutzt wird und erkennbar von einem datenschutzrechtlich Verantwortlichen erworben wird, muss den Anforderungen des Art. 25 DS-GVO entsprechen. Damit wird über den Umweg der vertraglichen Leistungspflicht die Verpflichtung indirekt auch auf Hersteller ausgeweitet. Bei einem Softwareerwerb könnten nun durch einen Verstoß gegen die Prinzipien des Art. 25 DS-GVO Gewährleistungsrechte ausgelöst werden. Es kann jedoch nicht pauschal gesagt werden, dass das Gewährleistungsrecht auf datenschutzrechtliche Verstöße bei Softwareprodukten Anwendung findet. Es kommt gezielt darauf an, ob der Software ein Sachmangel innewohnt. Dies muss sodann im Einzelfall anhand der konkreten vertraglichen Ausgestaltung und der jeweiligen Software geprüft werden.

 

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