EU-AI-Act und KI im Personalwesen: Neue Regeln für den verantwortungsvollen Einsatz von HR-Tech

AI-Act und Personalwesen
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EU-AI-Act und KI im Personalwesen: Neue Regeln für den verantwortungsvollen Einsatz von HR-Tech

Künstliche Intelligenz (KI) ist bereits Bestandteil technikaffiner Personalabteilungen. Von automatisierten Bewerbungsanalysen über Chatbots im Recruiting bis hin zu KI-gestützter Mitarbeiterentwicklung – sogenannte HR-Tech-Lösungen versprechen mehr Effizienz und objektivere Entscheidungen. Doch mit der zunehmenden Automatisierung wächst auch die Verantwortung, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz, Fairness und Transparenz.

Mit dem EU-AI-Act hat die Europäische Union nun den weltweit ersten umfassenden Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz geschaffen. Er soll sicherstellen, dass KI-Systeme im Einklang mit europäischen Werten und Grundrechten eingesetzt werden. Für Unternehmen bedeutet das: Der Einsatz von KI im Personalwesen wird künftig strenger reguliert und fällt in vielen Fällen sogar unter die Kategorie der Hochrisiko-KI.

1. Kernpunkte des Beschäftigtendatenschutzes

Der AI-Act (Artificial Intelligence Act) wurde im Frühjahr 2024 verabschiedet und tritt schrittweise in Kraft. Sein Ziel ist es, Vertrauen in KI zu schaffen, Innovation zu fördern und gleichzeitig Risiken zu minimieren.

Das Gesetz verfolgt einen risikobasierten Ansatz: Je höher das Risiko eines KI-Systems für Grundrechte oder Sicherheit, desto strenger die Anforderungen. Dabei werden vier Risikostufen unterschieden:

  1. Unannehmbares Risiko: KI-Anwendungen, die gegen fundamentale Rechte verstoßen, werden verboten (z. B. soziale Bewertungssysteme oder manipulative KI).
  2. Hohes Risiko: KI-Systeme, die erhebliche Auswirkungen auf Menschen haben können, unterliegen strengen Auflagen.
  3. Begrenztes Risiko: Systeme müssen bestimmte Transparenzpflichten erfüllen.
  4. Minimales Risiko: keine besonderen Pflichten, z. B. KI-gestützte Spamfilter.

Gerade HR-Tech-Lösungen wie Bewerbermanagement-Software, automatisierte Eignungstests oder Tools zur Leistungsbewertung gelten laut EU-AI-Act in der Regel als Hochrisiko-KI, da sie direkte Auswirkungen auf Beschäftigte oder Bewerber haben können.

2. Warum HR-Tech oft als Hochrisiko-KI gilt

Der Personalbereich ist besonders sensibel, da hier über Menschen und ihre berufliche Zukunft entschieden wird. KI-gestützte Systeme im HR-Umfeld können – bewusst oder unbewusst – Diskriminierungen verstärken, wenn sie etwa auf verzerrten Datensätzen trainiert wurden.

Beispiele für Hochrisiko-Anwendungen im Personalwesen sind:

  • Automatisierte Bewerberauswahl: KI-Tools, die Lebensläufe, Bewerbungsschreiben oder Video-Interviews analysieren.
  • Predictive Analytics: Systeme, die die Wahrscheinlichkeit einer Beförderung, Kündigung oder Leistung vorhersagen.
  • Mitarbeiterüberwachung: Tools, die Produktivität oder das Verhalten in Echtzeit erfassen.

Für solche Systeme fordert der AI-Act umfangreiche Maßnahmen, um Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Fairness sicherzustellen.

3. Anforderungen des EU-AI-Acts an den Einsatz von KI im Personalwesen

Unternehmen, die KI im HR-Kontext einsetzen oder entwickeln, müssen eine Reihe von Pflichten erfüllen. Dazu zählen:

a) Risikobewertung und Konformitätsprüfung

Bevor eine Hochrisiko-KI in Betrieb genommen wird, ist eine Konformitätsbewertung erforderlich. Dabei müssen Unternehmen dokumentieren, dass das System den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ähnlich wie bei einer CE-Kennzeichnung.

b) Datenqualität und Verzerrungs(Bias)-Vermeidung

Die Trainingsdaten müssen relevant, repräsentativ und frei von Diskriminierung sein. Das bedeutet: Historische HR-Daten müssen auf Verzerrungen geprüft und gegebenenfalls bereinigt werden.

c) Technische Dokumentation und Nachvollziehbarkeit

Unternehmen müssen detailliert festhalten, wie und auf welcher Grundlage die KI Entscheidungen trifft. Diese Dokumentation ist auch Grundlage für mögliche Audits durch Aufsichtsbehörden.

d) Transparenzpflichten gegenüber Betroffenen

Bewerber:innen und Mitarbeitende müssen darüber informiert werden, dass und wie KI-Systeme eingesetzt werden. Zudem sollen sie das Recht haben, eine menschliche Überprüfung der Entscheidung zu verlangen.

e) Überwachung und menschliche Aufsicht

Auch nach der Einführung müssen KI-Systeme regelmäßig überwacht werden. Der Mensch bleibt letztlich verantwortlich; eine vollständige Automatisierung von Personalentscheidungen ist nicht zulässig.,

4. Datenschutz bleibt zentral

Neben den neuen KI-Regeln bleibt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) weiterhin uneingeschränkt gültig.
Das bedeutet:

  • Personenbezogene Daten dürfen nur verarbeitet werden, wenn eine rechtliche Grundlage besteht.
  • Betroffene haben Anspruch auf Auskunft, Berichtigung und Löschung ihrer Daten.
  • Bei automatisierten Entscheidungen, die rechtliche Wirkung entfalten, ist laut Artikel 22 DSGVO eine menschliche Intervention vorgeschrieben.

Das Zusammenspiel von AI-Act und Datenschutzrecht macht den HR-Bereich besonders komplex. Unternehmen müssen beide Regime sorgfältig aufeinander abstimmen, technische Compliance allein reicht nicht aus. Auch rechtliche Compliance ist vonnöten.

5. Chancen für verantwortungsvolle HR-Innovation

Trotz der neuen Pflichten bietet der EU-AI-Act auch Chancen. Wer frühzeitig in transparente, erklärbare und ethisch verantwortbare KI-Lösungen investiert, kann bei Bewerber:innen, Mitarbeitenden und Aufsichtsbehörden Vertrauen aufbauen.

Zudem fördert die Regulierung eine neue Generation von HR-Tech-Lösungen, die Fairness und Datenschutz by Design umsetzen. Beispiele sind:

  • KI-gestützte Systeme, die Verzerrungen (Bias) aktiv erkennen und ausgleichen.
  • Tools mit Explainable AI-Funktionen, die Entscheidungen nachvollziehbar machen.
  • Plattformen, die Bewerbern Kontrolle über ihre Daten geben.

Langfristig kann die Regulierung so zu mehr Qualität und Fairness im Recruiting und Personalmanagement führen.

6. Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Damit Unternehmen auf den AI-Act vorbereitet sind, sollten sie frühzeitig handeln:

  1. Bestandsaufnahme durchführen: Welche KI-Systeme werden im HR-Bereich eingesetzt oder geplant?
  2. Risikoklassifizierung prüfen: Handelt es sich um Hochrisiko-KI im Sinne des Gesetzes?
  3. Datenmanagement optimieren: Bias-Prüfungen und Datenqualität sicherstellen.
  4. Compliance-Strukturen aufbauen: Zuständigkeiten, Dokumentation und Prozesse festlegen.
  5. Schulungen und Sensibilisierung: HR-Teams und IT-Abteilungen müssen die neuen Pflichten kennen.
  6. Transparenz schaffen: Mitarbeitende und Bewerber:innen aktiv über KI-Einsatz informieren.

Fazit

Der EU-AI-Act markiert einen Wendepunkt für den Einsatz von KI im Personalwesen. Während HR-Tech-Lösungen weiterhin große Effizienzpotenziale bieten, steigt der regulatorische Anspruch erheblich. Der Einsatz von Hochrisiko-KI in sensiblen Bereichen wie Recruiting oder Leistungsbewertung erfordert künftig ein hohes Maß an Verantwortung, Transparenz und rechtlicher Sorgfalt.

Unternehmen, die jetzt in Compliance, Datenqualität und ethische KI investieren, können nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern auch das Vertrauen ihrer Belegschaft stärken und den Weg für eine zukunftsfähige, faire und datenschutzkonforme HR-Technologie ebnen.

Kontaktieren Sie uns – wir beraten Sie gerne!

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AI Act: Eine Weichenstellung in der Regulierung künstlicher Intelligenz

AI Act: Eine Weichenstellung in der Regulierung künstlicher Intelligenz

AI Act – was sich jetzt ändert

Einleitung

Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) stellt die Gesellschaft vor neue Herausforderungen und Chancen. Schon heute sind Chatbots und KI-generierte Bilder und Videos weit verbreitete Manifestationen dieser Technologie. 

Um die Risiken zu minimieren und die Vorteile zu maximieren, hat die Europäische Union den AI Act verabschiedet. Dieses Gesetz gilt als eines der weltweit ersten umfassenden Regelwerke für den Einsatz von KI und soll einen Rahmen für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen schaffen, der die Grundrechte und Werte der EU schützt.

Was regelt der AI Act, und warum?

Ziel des AI Act ist es, einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Entwicklung, den Vertrieb und die Nutzung von KI-Systemen in der Europäischen Union zu schaffen. Dabei orientiert es sich am Produktsicherheitsrecht.

KI-Systeme werden nach ihren potenziellen Risiken für Sicherheit, Grundrechte und Demokratie in verschiedene Kategorien eingeteilt. Anwendungen, die als inakzeptabel angesehen werden, wie z.B. Sozialkredit-Systeme wie in China, soziale Manipulation oder Massenüberwachung, werden verboten. KI-Systeme mit hohem Risiko, wie sie beispielsweise in der Strafverfolgung oder im Personalwesen eingesetzt werden, müssen strenge Anforderungen an Transparenz, Robustheit und menschliche Aufsicht erfüllen. Der AI Act soll dazu beitragen, dass KI-Systeme ethisch vertretbar und transparent entwickelt und eingesetzt werden.

Der AI Act unterscheidet zwischen verschiedenen Risikokategorien von KI-Systemen und legt je nach Risiko unterschiedliche Anforderungen fest. Bestimmte KI-Anwendungen, die als Gefahr für die Grundrechte oder die öffentliche Sicherheit angesehen werden, sind verboten. Für KI-Systeme mit hohem Risiko gelten strenge Anforderungen an Datenqualität, Robustheit, Transparenz und menschliche Aufsicht. Die EU-Mitgliedstaaten sind für die Marktüberwachung zuständig und müssen sicherstellen, dass KI-Systeme die Anforderungen des AI Act erfüllen. Eine europäische Behörde soll die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten koordinieren und die einheitliche Anwendung des AI Act sicherstellen.

Der AI Act wird erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen haben. Unternehmen, die KI-Systeme entwickeln oder einsetzen, müssen sich auf umfangreiche Anpassungen einstellen. Insbesondere für Unternehmen, die KI-Systeme in risikoreichen Bereichen einsetzen, wird der administrative Aufwand steigen. Anbieter von Hochrisiko-Systemen müssen eine sog. Konformitätsbewertung durchlaufen, um ihr Produkt in der EU auf den Markt zu bringen. Gleichzeitig bietet der AI Act auch Chancen für Unternehmen, die sich an die neuen Regeln anpassen und vertrauenswürdige KI-Lösungen anbieten können.

Kritiker argumentieren, dass die Anforderungen, insbesondere für risikoreiche KI, zu hoch und bürokratisch sind. Dies könne Innovationen hemmen und kleinere Unternehmen benachteiligen. Die Definitionen von Begriffen wie „Hochrisiko-KI“ sind teilweise unklar und führen zu Rechtsunsicherheit. Die Beurteilung, welche KI-Systeme als risikoreich einzustufen sind, ist subjektiv und kann zu unterschiedlichen Interpretationen führen. Zudem erschwert die schnelle Entwicklung von KI-Modellen eine statische Risikobewertung. Zu strenge Vorschriften könnten die europäische KI-Forschung und -Entwicklung behindern und dazu führen, dass Unternehmen ihre Aktivitäten in Regionen mit weniger strengen Vorschriften verlagern.  

Dies könnte dazu führen, dass Europa im globalen Wettlauf um die Führungsrolle im Bereich der KI zurückfällt.

Was ist bei der Regulierung nach dem AI Act zu beachten?

Der AI Act ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer ethischen und verantwortungsvollen Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Mit der Einführung eines umfassenden Rechtsrahmens schafft die EU die Grundlage für den Einsatz von KI-Systemen. 

Unternehmen und Entwickler müssen sich auf die neuen Anforderungen einstellen, um weiterhin erfolgreich am Markt bestehen zu können. Gleichzeitig bietet der AI Act auch Chancen für Innovation und Wachstum in diesem Bereich. Wichtig ist jedoch, die Kritik ernst zu nehmen und den Rechtsrahmen kontinuierlich zu evaluieren und anzupassen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Regulierung und Innovation ist entscheidend, um die Vorteile von KI zu nutzen und die Risiken zu minimieren.

Wenn Sie Fragen zum AI Act oder zu anderen Aspekten der KI-Regulierung haben, setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Unser Expertenteam steht Ihnen gerne zur Verfügung, um Sie umfassend zu beraten und Ihre Anliegen zu klären. Ob Sie Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Regelungen benötigen oder einfach nur mehr über die Auswirkungen auf Ihr Unternehmen erfahren möchten – wir sind für Sie da! Kontaktieren Sie uns und lassen Sie uns gemeinsam die Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz erkunden. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!

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Sicherer Umgang mit KI im Unternehmensalltag

Sicherer Umgang mit künstlicher Intelligenz im Unternehmensalltag 

Was darf Ki im Unternehmen?

Einleitung

Wir haben in unserem ersten Artikel bereit einen kurzen Überblick darüber gegeben, was genau eigentlich unter Künstliche Intelligenzen (KI) verstanden wird und haben in diesem Rahmen die Verordnung zur Regulierung von KI den sogenannten Artificial Intelligence Act (AI Act) beleuchtet. 

Im Nachfolgenden möchten wir noch tiefer ins Detail gehen und Darstellen wie man KI im Unternehmen einsetzten kann. 

Künstliche Intelligenzen sind heute aus dem Unternehmensalltag nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglichen Innovation, Effizienz und könnten europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Mit dem AI Act soll ein Regelwerk für den sicheren Umgang mit Künstlichen Intelligenzen in der Europäischen Union festgelegt werden (dazu haben wir bereits in unserem ersten Artikel Stellung genommen.). Adressaten dieses Gesetzes sind nicht nur die Entwickler von KI, sondern auch Unternehmen, die KI nutzen. Welche laut Lars Klingholz, Leiter Künstliche Intelligenz beim Digitalverband Bitcom, ein Großteil der europäischen Unternehmen sein. Der Verband begrüßt jedoch den AI Act und sieht ihn als Möglichkeit nachhaltig KI einzusetzen. 

Wie kann man Künstliche Intelligenzen im Unternehmen nutzen? 

Ob in Form eines Chatbot im Bereich des Kundenservice, zur Auswertung von Kundenbewertungen, in Gestalt von Robotern in der Fabrikation oder gar Tools zur Zusammenfassung von Kundengesprächen, die Einsatzmöglichkeiten von KI in Unternehmen sind vielfältig. 

KI ist in der Lage, ganze Aufgabenbereiche selbständig zu übernehmen und kann dabei helfen, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, Vertriebswege zu optimieren und die Produktionsleistung zu steigern. Das Europäische Parlament hofft, dass dies zu einer positiven Entwicklung in Sektoren führen wird, die bereits in der Europäischen Union etabliert sind, wie Maschinenbau, Landwirtschaft, Gesundheitswesen oder auch Mode. 

Im Bereich Human Resources kann KI beispielsweise bei der Einstellung neuer Mitarbeiter:innen unterstützen, indem sie das gesamte Verfahren der Stellenausschreibung, der Durchführung des Bewerbungsgesprächs und der Auswahl der Teilnehmenden übernimmt. Einzig die Entscheidung, welcher Kandidat eingestellt wird, muss dann nur noch der Arbeitgebende treffen, da automatisierte Einzelentscheidungen nach Art. 22 DS-GVO verboten sind. 

Das Thema Videoüberwachung, insbesondere im Unternehmenskontext ist hingegen heikel und nicht selten mit Stolperfallen für den Arbeitgeber verbunden. Während bei Berufen mit hohem Berufsrisiko, beispielsweise bei der Polizei, KI zur Wahrung des persönlichen Schutzes verwendet wird, ist KI in anderen Bereichen in der Lage die Erstellung von Leistungs- und Bewegungsprofile der Mitarbeitenden zu ermöglichen. Dies stellt jedoch regelmäßig einen nicht notwendigen Eingriff in die Rechte und Freiheiten der Mitarbeitenden dar und soll daher künftig durch das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz besser geregelt werden. 

Bei der Nutzung von KI am Arbeitsplatz kann sich auch ein Konflikt mit der Informationspflicht des Arbeitsgebers gegenüber den Arbeitnehmenden ergeben. Neben der Information darüber, dass mit KI gearbeitet wird, ist auch die Offenlegung des Aufbaus und die Funktionsweise des Algorithmus der KI nötig. Oftmals arbeiten Unternehmen jedoch mit KI-Anwendungen anderer Unternehmen, deren Algorithmus ein Geschäftsgeheimnis ist und haben daher selbst keine Kenntnis über die konkrete Funktionsweise der KI. Hieraus kann sich dann ein Informationsdefizit des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmenden ergeben. 

Künstliche Intelligenzen sind imstande, zahlreiche Aufgaben übernehmen. Wie sieht es mit den Arbeitsplätzen aus? 

Bei vielen Arbeitnehmenden besteht nach wie vor die Sorge aufgrund von KI ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Künstliche Intelligenzen sind stetig in der Entwicklung und erweitern daher täglich ihr Wissen und ihre Fähigkeiten. Während einige Ökonomen dies für Berufe mit routinierten Tätigkeiten vorhersagen, sehen andere das Problem eher bei den fehlenden Investitionen in die Entwicklung von KI, insbesondere in Deutschland. Durch diesen Marktanteilverlust würden viel mehr Arbeitsplätze verloren gehen und nicht etwa durch die Übernahme von Tätigkeiten durch KI. Während in den USA allein im Jahr 2022 47,4 Mrd. US-Dollar in die Entwicklung Künstlicher Intelligenzen investiert wurde, gefolgt von China mit 13,4 Mrd. US-Dollar, waren es in Deutschland hingegen nur 2,4 Mrd. US-Dollar. Allerdings investierte auch kein anderer EU-Staat mehr.  

Welche konkreten Probleme ergeben sich beim Einsatz von KI im Unternehmensalltag? 

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) kritisiert in einer Stellungnahme den Einsatz von generativer KI-Anwendungen durch Arbeitnehmende am Arbeitsplatz. Gerade durch die Integration generativer KI in alltäglich genutzte Anwendungen wie Textverarbeitungsprogrammen oder auch Suchmaschinen ist die Hürde für die Nutzung denkbar gering. Arbeitnehmende müssen sich dessen bewusst sein, dass sie auch hier die datenschutzrechtlichen Grundsätze beachten und insbesondere eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung haben müssen. Dabei sind insbesondere Arbeitgeber in der Pflicht, entsprechend zu schulen und ihre Beschäftigten für die Problematik zu sensibilisieren. Die Verwendung solcher Systeme führt zudem häufig zu einem Konflikt mit dem datenschutzrechtlichen Transparenzgebot. Es ist häufig kaum oder gar nicht zu erkennen aus welchem Datenpool die KI ihr Wissen bezieht. 

Ein Fall aus den USA zeigt, dass das Wissen der KI auch veraltet oder vielmehr noch die herausgegebenen Informationen falsch sein kann. Ein Anwalt aus den USA hatte mithilfe des Chatbots ChatGPT nach Präzedenzfällen im Zusammenhang mit Verjährungen gesucht. ChatGPT hatte ihm daraufhin falsche Fälle präsentiert. Die KI war in der Lage mithilfe ihres Wissens ganze Fallakten zu erfinden, welche wiederum Verweise auf weitere erfundene Gerichtsurteile enthielten. Das Gericht sah darin einen Täuschungsversuch, welcher gravierende Folgen für den Rechtsanwalt haben könnte.  

Kompliziert wird es also vor allem bei der Frage der Haftung. Ob Fehler auf Anwender- oder Programmfehler zurückzuführen sind, kann gegebenenfalls schwierig zu beweisen sein. Auch bei der Generierung von Bildern stellt sich die Frage, wem dieses gehört. Dem Unternehmen, dass die KI eingesetzt hat, dem Mitarbeiter, der die Daten in das System eingespeist hat oder doch dem Entwickler? 

Fazit und Ausblick 

KI im Unternehmen? Ja oder nein? 

Ob der Einsatz von KI-Anwendungen sinnvoll ist, hängt von dem Tätigkeitsbereich ab. Innerhalb der Produktion stellt die Verwendung von KI eher kein Problem dar. Auch für Recherchearbeiten oder im Bewerbungsverfahren kann KI eine Erleichterung darstellen, jedoch sollten die ausgegebenen Informationen anschließend kontrolliert werden.  

Bei der Bewertung des Einsatzes von KI muss jedoch klar differenziert werden, ob gerade personenbezogene Daten verwendet werden und basierend darauf abgewogen werden, ob eine Nutzung nicht mit einem zu hohen Risiko verbunden ist. Grundsätzlich können Künstliche Intelligenzen für Unternehmen ein großer Gewinn sein, die Anwendung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen.  

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Kommen bald endlich Regelungen für die Arbeitszeiterfassung?

Arbeitszeiterfassung

Unternehmen warten auf Klarheit

Arbeitszeiterfassung

Kommen bald endlich Regelungen für die Arbeitszeiterfassung?

Einleitung

Im Rahmen seines Beschlusses vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärt, dass bereits jetzt nach deutschem Recht die Arbeitszeiterfassung zum Schutz der Arbeitnehmer:innen verpflichtend ist.

Dabei beruft sich das BAG im Wesentlichen auf das sog. Stechuhr-Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 (EuGH Rs. 55/18 CCOO), welches die Auslegung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) betraf. Das Urteil haben wir damals auch in unserem Blog-Artikel betrachtet (zum Nachlesen unter https://rickert.law/verpflichtung-des-arbeitgebers-zur-systematischen-arbeitszeiterfassung/).

Der EuGH hatte festgestellt, dass Arbeitgeber nach Unionsrecht verpflichtet sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, um die Arbeitszeiten von Arbeitnehmer:innen zu erfassen. Die EU-Mitgliedstaaten sind dazu angehalten, diese Pflicht umzusetzen und Details zu regeln.

Deutschland und die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

In Deutschland ist die Umsetzung bisher noch nicht erfolgt. Das BAG verleiht dem EuGH-Urteil Nachdruck und drängt die Politik darauf, durch neue Regelungen im Arbeitszeitgesetz endlich Rechtsicherheit für deutsche Unternehmen zu schaffen.

Neu ist allerdings die Feststellung des BAG, dass trotz bislang fehlender Umsetzung des Unionsrechts in Deutschland schon eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt, weil § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz im Lichte des Unionsrecht auszulegen ist.

In seinen Urteilsgründen aus dem vergangenen Dezember machte das BAG allerdings noch keine inhaltlichen Vorgaben für zukünftige Regelungen. Es wurde offen gelassen, ob das System digital oder analog sein soll.

Zudem hat das BAG klargestellt, dass die Dokumentation der Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer:innen selbst delegiert werden kann, was beispielsweise mit Blick auf die Arbeit im Home Office interessant ist. Voreilige Schlüsse oder Ängste vor dem Ende der Vertrauensarbeitszeit sind daher unbegründet. Das BAG betont vielmehr, dass die Arbeitszeiterfassung allein dem Schutz der Arbeitnehmer:innen dient: Sie sollen davor bewahrt werden, zu viel zu arbeiten und Ruhezeiten nicht einzuhalten.

Das Bundesarbeitsministerium hat angekündigt, voraussichtlich noch im ersten Quartal 2023 einen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz vorzustellen. Bislang ist durch das Arbeitszeitgesetz nur die Aufzeichnung von Überstunden und Arbeit an Sonn- und Feiertagen vorgegeben.

Fazit

Für Arbeitgeber ist es ratsam, jetzt zeitnah ein entsprechendes Erfassungssystem einzurichten oder sich zumindest näher mit praktikablen Modellen auseinanderzusetzen. Eine Strafe bei fehlender Einrichtung muss zumindest bislang noch nicht befürchtet werden.

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Der „Gelbe Schein“ wird digital!

Gelbe Schein

Ab dem 01.01.2023 kann der Arbeitgeber die Krankmeldung direkt bei der Krankenkasse abrufen.

Gelbe Schein

Nicht vergessen: Der Gelbe Schein wird digital!

Zum 01.01.2023 wird bundesweit für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (der „Gelbe Schein“) verpflichtend elektronisch. Das bedeutet, beim Arztbesuch erhalten die PatientInnen lediglich einen Papierausdruck für ihre Unterlagen. Die neue elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird hingegen auf technischem Wege direkt an die Krankenkassen übermittelt. Dort kann der Arbeitgeber die Informationen dann abrufen.

Was müssen gesetzlich versicherte Arbeitnehmer jetzt noch tun?

Es besteht weiterhin die Pflicht, dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich zu melden und diese regelmäßig spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen (§ 5 Abs. 1 EntgFG). Beachten Sie hier auch die Regelungen, die in ihrem Betrieb für die Krankmeldung vorgesehen sind. 

Nur die bisherige Nachweispflicht der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung gegenüber dem Arbeitgeber entfällt jetzt nach dem neuen § 5 Abs. 1a EntgFG.

Den voraussichtlichen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit müssen Sie Ihrem Arbeitgeber jedoch ebenfalls mitteilen, weil die Abfrage der eAu bei den Krankenkassen nur mit dieser Information erfolgreich durchgeführt werden kann.

In welchen Schritten erfolgt die Übermittlung der eAU?

Schritt 1: Datenübermittlung von der Arztpraxis an die Krankenkasse (§§ 295 Abs. 1, 1, 10 SGB V)

Schritt 2: Erstellung einer Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber durch die Krankenkasse (§ 109 SGB IV n.F.)

Schritt 3: Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten durch den Arbeitgeber bei der Krankenkasse (neuer § 5 Abs. 1a EFZG)

Welche Informationen erhält der Arbeitgeber durch die eAU?

Die Krankenkasse übermittelt dem Arbeitgeber folgende Informationen:

  • Name der versicherten Person
  • Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit
  • Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung

In welchen Fällen muss bei gesetzlich versicherten Arbeitnehmern auch weiterhin eine klassische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfolgen?

  • Krankheitsfälle im Ausland
  • Physiotherapie
  • Psychotherapie
  • Erkrankung eines Kindes
  • Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft
  • Rehabilitationsmaßnahmen
  • Wiedereingliederungsmaßnahmen
  • Nicht an das System angebundene Arztpraxen

Was passiert, wenn technische Probleme die Übermittlung (vorübergehend) verhindern?

Die Daten werden durch die Praxis-Software gespeichert und der Versand der Krankmeldung erfolgt, sobald dies wieder möglich ist. 

Bei einer länger andauernden Störung wenden Arztpraxen das Ersatzverfahren mit Papierausdrucken an: Der gesetzlich versicherte Arbeitnehmer schickt dann den Ersatzausdruck selbst an seine Krankenkasse. Die Daten können durch einen aufgedruckten Barcode von den Krankenkassen ohne großen Aufwand digitalisiert und den Arbeitgebern anschließend bereitgestellt werden.

Welchen Hintergrund hat die Änderung?

Im Rahmen des Dritten Bürokratie-Entlastungsgesetzes (Begründung BT-Drs 19/13959) wurde das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und darin ein einheitliches und verbindliches elektronisches Verfahren zur Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten durch die Ärzte an die Krankenkassen eingeführt.

Seit 01. Januar 2022 lief die Pilotphase: Arbeitgeber, die bereits technisch dazu in der Lage waren, konnten die AU-Daten schon elektronisch bei den Krankenkassen einsehen.

Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft weitere Anwendungsfälle in das eAU-Verfahren aufgenommen werden.

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law-to-go: Urlaubsregelungen an Weihnachten und Silvester 

Urlaubsregelungen an Weihnachten

Kurze Antworten auf schnelle Fragen

Urlaubsregelungen an Weihnachten

law-to-go: Urlaubsregelungen an Weihnachten und Silvester 

Sind Heiligabend (24.12.) und Silvester (31.12.) gesetzliche Feiertage? 

Nein. Aber der 1. und 2. Weihnachtstag sowie der 1. Januar sind gesetzliche Feiertage, für die Sie sich keinen Urlaub nehmen müssen. 

Haben alle Arbeitnehmende an diesen gesetzlichen Feiertagen automatisch frei? 

Grundsätzlich ja, es sei denn, sie fallen unter die Berufsgruppen der Feuerwehr, Pflegedienste, Gastronomie, Landwirtschaft und natürlich der Verkehrsbetriebe. 

Reichen denn für Heiligabend und Silvester wenigstens halbe Urlaubstage? 

Leider nicht. Zumindest aus gesetzlicher Sicht. Aber weil Chef*innen an Weihnachten gerne nett sind, ist es in vielen Betrieben üblich geworden.  

Bekomme ich mehr Geld, wenn ich an Heiligabend oder Silvester arbeite? 

Nein. Unter bestimmten Voraussetzungen jedoch, nämlich wenn es vertraglich oder tariflich vereinbart wurde, ist selbst das möglich. 

Muss ich zwischen den Tagen arbeiten? 

Natürlich. Es sind ganz normale Arbeitstage. 

Kann mich mein Betrieb zwingen, an diesen Tagen Urlaub zu nehmen? 

Ja, das kann er, indem er den sog. Betriebsurlaub veranschlagt. Er kann dies jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen tun. 

Mehrere Mitarbeitende möchten z.B. an Heiligabend Urlaub nehmen: wer bekommt den Vortritt? 

Das kommt darauf an… wie die Vorjahresurlaubsregelung aussah, wer besonders erholungsbedürftig ist oder wer familiär wichtige Gründe hat. Die Antwort lautet also: es ist immer jemand anderes. 

Gibt es eine Art Gewohnheitsrecht für die Urlaubsregelungen an Heiligabend und Silvester? 

Gibt Ihr Betrieb Ihnen drei Jahre in Folge an diesen Tagen frei, nennt man das „Betriebliche Übung“ und Sie können darauf in Zukunft beim Arbeitsgericht bestehen. Es sei denn, in der betrieblichen Mitteilung findet sich irgendwo der Vorbehalt, dass die Freistellung nur für das jeweilige Jahr gilt und freiwillig erfolgt. 

Verfällt mein Resturlaub zum Ende des Jahres? 

Bisher war das so, von bestimmten Ausnahmen abgesehen. Inzwischen jedoch darf der Jahresurlaub grundsätzlich nur noch dann verfallen, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er den Arbeitnehmenden angemessen auf den bevorstehenden Verfall des Resturlaubs hingewiesen hat und ihm die Chance gelassen hat, den Urlaub noch anzutreten. 

Wie immer gibt es Einzelfallregelungen und Ausnahmen. Und wie immer stehen wir Ihnen für gezielte Aufklärung gerne zur Verfügung.  

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MoPeG: Es ist längst GbR-Praxis, nun wird es auch Gesetz

GbR

MoPeG: Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

GbR

Es ist längst GbR-Praxis, nun wird es auch Gesetz: das Gesetz zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts (MoPeG)

Einführung

Das teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammende Personengesellschaftsrecht für GbR, OHG und KG soll endlich an die Bedürfnisse des modernen Wirtschaftslebens angepasst werden, wie es auch längst schon in der Praxis umgesetzt wird. Vor allem die GbR erfährt im neuen Gesetz zahlreiche Änderungen.

Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) tritt zum 01. Januar 2024 in Kraft.

Reformen der GbR

Die GbR selbst wird rechtsfähig

Während nach formellem Recht bislang nur die Gesellschafter einer GbR rechtsfähig waren, ist es nun die GbR selbst. Damit entfällt der Verweis auf die Vorschriften zur OHG, was der GbR sofort einen neuen Status als Grundform verschafft. Während sie nämlich bisher nur als eine dem Umstand geschuldete Gelegenheitsgesellschaft angesehen wurde, sobald sich mind. 2 Menschen für ein gewerbliches Projekt zusammentun, kann sie nun auch auf Dauer am wirtschaftlichen Leben mit all seinen Rechtsmöglichkeiten teilnehmen.

Die GbR ist Vermögensträgerin

Auch hier waren formal rechtlich bislang die einzelnen Gesellschafter die Vermögensträger. Nun ist die GbR selbst die Trägerin ihres Vermögens.

Freiberufler können sich zu einer Personenhandelsgesellschaft zusammenschließen

Über diese gesetzliche Rückendeckung dürften sich alle Freiberufler wie Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten oder Ingenieure freuen, denn sie profitieren damit von Haftungsbeschränkungen, die ihnen vorher verwehrt wurden.

Der Grund liegt in dem erweiterten Verständnis, dass der Handel mit Dienstleistungen wie ein Handel mit Waren betrachtet werden kann. Bislang berechtigte nämlich allein der Handel mit Waren zur Gründung einer Kommanditgesellschaft (KG), deren Haftungsbeschränkungen weit über die einer sog. Partnerschaftsgesellschaft hinausgehen. So haften etwa Kommanditisten unabhängig vom Sachverhalt lediglich auf die Höhe ihrer Einlagen.

Das bedeutet, dass auch Freiberufler, die sich zu einer KG zusammenschließen, als Kommanditisten künftig eine generelle Haftungsbeschränkung im Rahmen einer Personenhandelsgesellschaft genießen können, wie es bereits in vielen anderen Ländern gängige Praxis ist.

Freies Sitzwahlrecht

Künftig kann eine deutsche Personengesellschaft sämtlichen Tätigkeiten im Ausland nachgehen und dennoch in der Rechtsform einer deutschen Gesellschaft bleiben. Das freie Sitzwahlrecht für eingetragene Personengesellschaften gilt dann unabhängig vom Ort der Eintragung. Folglich besteht die freie Wahl des Verwaltungssitzes, sofern ein Vertragssitz im Inland angegeben wurde.

Der Gesellschafter scheidet aus, aber die GbR bleibt

Tod und Kündigung eines GbR-Gesellschafters führt ab 2024 per Gesetz auch nur zu dessen Ausscheiden und nicht wie bisher zur Auflösung der Gesellschaft. Die enge persönliche Bindung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern wird dadurch abgemildert.

Beschlussmängelrecht: Wo kein Kläger, da kein Richter mehr

Für die Personenhandelsgesellschaften wie OHG und KG wird außerdem ein sog. Beschlussmängelrecht verankert. Das bedeutet, dass fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse nicht mehr automatisch unwirksam sind. Sie müssen nun aktiv innerhalb von 3 Monaten nach Bekanntgabe angefochten werden.

Einführung eines öffentlich einsehbaren Gesellschaftsregisters

Diese Modernisierung ist die wohl wichtigste Neuerung im MoPeG, denn Vor- und Nachteile liegen hier eng beieinander.

Mit dem MoPeG wird ein Gesellschaftsregister eingeführt, welches von den Amtsgerichten geführt wird. Öffentlich einsehbar werden dann der Name der GbR, deren Sitz, alle Gesellschafter und die Vertretungsbefugnisse.

Anders als bei OHG und KG besteht für die GbR grundsätzlich kein Eintragungszwang. Auch ohne Eintragung bleibt die GbR rechtsfähig (vgl. § 707 Abs. 1 BGB n.F.). Die Gesellschafter können frei entscheiden, ob sie die Gesellschaft eintragen möchten oder nicht.

Dennoch gibt es eine Art „faktischen Zwang“, denn in Zukunft soll nur eine eingetragene GbR das Recht haben, registrierte Rechte erwerben zu können, wie z.B.  Immobilien.

Für die GbRs, die bereits vor der Gesetzesänderung nach gängiger Praxis eine Immobilie oder ein Grundstück erworben haben, greift eine Grundbuchsperre. Sie können ohne Eintragung ins Gesellschaftsregister ihre Immobilie nicht mehr veräußern, sprich: sie können nicht mehr aus dem Grundbuch ausgetragen werden.  

Zu den registrierten Rechten, die eine Eintragung in das Gesellschaftsregister notwendig machen, gehören ebenfalls der Erwerb von Marken, Patenten, Gebrauchsmustern, Designs oder sonstige in öffentliche Register eingetragene Rechte.

Mehr Transparenz

Das Gesellschaftsregister ist im Aufbau und in der Funktion dem Handelsregister ähnlich. Die Publizitätsdefizite der GbR werden behoben, die klare Transparenz in Haftung und Vertretungsverhältnisse schaffen vertrauenserweckende Rechtsklarheit. Da die Informationen im Gesellschaftsregister guten Glauben genießen, kann sich der Rechtsverkehr auf die Angaben im Register verlassen.

Um genau diesen Vertrauensbonus zu schützen, kann die eingetragene GbR nur bei vollständiger Auflösung wieder aus dem Register gelöscht werden. Die Gesellschafter können die GbR also nicht einfach aus dem Register löschen lassen, ohne dass diese damit als aufgelöst gilt.

Sobald eine GbR ins Gesellschaftsregister eingetragen ist, ist sie dazu verpflichtet, dies in ihrem Namen zu kennzeichnen. Dies erfolgt durch den Zusatz eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts, oder kurz eGbR. Zudem muss sie die wirtschaftlich Berechtigten im Sinne von § 3 Abs.1 Geldwäschegesetz an das 2017 eingeführte Transparenzregister melden.

Die Eintragung ist mit Kosten verbunden.

Fazit

Mit Inkrafttreten des MoPeG wird die GbR als Außengesellschaft grundlegend neu geregelt – allerdings ändert sich im Vergleich zu der derzeitigen Praxis nur zum Teil etwas, weil größtenteils die bisherige die GbR-betreffende Rechtsprechung nur zusammengefasst wurde.

Die Eintragung ins Gesellschaftsregister stellt jedoch eine große Veränderung im MoPeG dar, die einige Vorteile bietet, aber auch einige bedenkenswerte Nachteile enthält.

Auf der einen Seite schafft die Eintragung ins Gesellschaftsregister eine Vertrauensbasis oder auch sogar erst eine Voraussetzung für intensive Rechtsgeschäfte, ist die GbR aber erst einmal eingetragen, kann sie nicht mehr aus dem Gesellschaftsregister gelöscht werden, es sei denn, die Gesellschaft wird vollständig aufgelöst (§ 707a Abs. 4 BGB n.F.). Erfordert der Zweck der GbR wirklich eine Eintragung? 

Die Kehrseite der Eintragung ist nämlich eben diese Transparenz, die jedem Einblicke gewährt, wer die mit vollem Namen, Geburtsdatum und Wohnsitz genannten Gesellschafter sind, die vielleicht nicht öffentlich bekannt werden wollen oder wer zu welchen Anteilen beteiligt ist. Da die GbR Inhaberin der registrierten Rechte ist (Immobilien, Patente, Designs etc.), gilt es zu überlegen, ob sich die gewählte Gesellschaftsform, die eGbR, mit den sonstigen Bedürfnissen wie z.B. Privatsphäre verträgt oder ob eine andere Rechtsform an der Stelle nicht besser wäre.

Zu diesen Fragen beraten wir Sie gerne ausführlich und prüfen dabei Ihre Gesellschaftsverträge, ob sie ggf. angepasst werden sollten. Wir empfehlen Ihnen, dies noch vor Inkrafttreten bzw. vor Eintragung zu tun, vor allem, wenn absehbar sein sollte, dass sich der Gesellschafterbestand ändern wird.

Ihr Ansprechpartner für (gesellschaftliche) Vertragsgestaltung: RA Nicolas Golliart

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Beschäftigtendatenschutz: Was darf der Chef?

Beschäftigtendatenschutz

Die Kernaussage der DS-GVO hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutz laut §26 BDSG und der Umgang mit besonderen Situationen

Beschäftigtendatenschutz

Beschäftigtendatenschutz: Was darf der Chef?  

Einführung  

Beschäftigtendatenschutz: Es geht um die Überwachung der Mitarbeitenden. Wie weit darf sie gehen, wo sind die Grenzen und welches Gesetz regelt es. Anders gefragt: was darf der Chef? 

Noch gibt es kein eigenes Gesetz, dafür aber zahlreiche Regelungen, die Anhaltspunkte liefern. Die Verhandlungen in Richtung einheitliches Beschäftigtendatenschutzgesetz laufen jedoch wieder an, nachdem der letzte Entwurf von 2010 nie verabschiedet wurde. Bisher hat nur Finnland ein solches Beschäftigtendatenschutzgesetz, die übrigen EU-Länder arbeiten mit Einzelfallregelungen. 

Es gilt also, die aktuellen Entwicklungen auf dem Schirm zu halten. Aktuell regelt insbesondere die DS-GVO den Beschäftigtendatenschutz. Sollte es aber zu einem eigenen Gesetz kommen, müsste die DS-GVO weiter konkretisiert werden.  

Wo stehen wir im Beschäftigtendatenschutz derzeit? 

Die Kernaussage der DS-GVO hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutz laut §26 BDSG ist, dass personenbezogene Daten der Arbeitnehmer erhoben werden dürfen, wenn sie für die Erfüllung, Aufnahme oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Die Erhebung bedarf dann nicht der Einwilligung des Betroffenen.  

Darunter fallen  

  • Bewerberdaten
  • allgemeine Personen- und Kontaktdaten 
  • Kontoverbindung 
  • Tätigkeitsprofil bzw. Position 
  • Gesundheitsdaten 
  • Religionszugehörigkeit (notwendig für die Lohnabrechnung) 

Für die Erhebung darüberhinausgehender Daten bedarf es möglicherweise der Einwilligung des Betroffenen.  

Warum brauchen wir ein Beschäftigtendatenschutzgesetz? 

Die Frage ist: Wie soll mit besonderen Situationen umgegangen werden? Wie steht es z.B. mit der Videoüberwachung in der Produktion? Darf der Chef die Emails lesen, die vom Arbeitsrechner aus versendet werden? Darf er die Chronik der Internetnutzung überwachen?  

Die allgemein gehaltenen Regelungen der DS-GVO sind wenig konkret und nur bedingt für Einzelfälle ausgelegt, sie decken eher Standardsituationen ab. Es ist schwer zu klären, welche Daten denn nun wirklich für die Erfüllung, Aufnahme oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich sind.  

Die Interessen von Beschäftigten und Vorgesetzten können sehr weit auseinander liegen. Missbrauchsmöglichkeiten gibt es auf beiden Seiten. 

Das entscheidende Argument für mehr Beschäftigtendatenschutz ist das Machtgefälle zwischen Beschäftigten und ihren Vorgesetzten. Hier kann man nicht von „gleichem Recht für alle“ sprechen. Die Abhängigkeit von Lohn und Arbeitsplatz drängen den Beschäftigten in eine unsouveräne Rolle und lassen ihn manch bittere Pille schlucken aus Angst vor Konsequenzen. Eine solche bittere Pille sind z.B. Daten, die über ihn erhoben werden, gegen die er sich aber nicht zu wehren traut.  

Ein Gesetz könnte Klarheit und Schutz für alle Beteiligten schaffen.  

Ausblick 

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegründete unabhängige Beirat und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben Empfehlungen und Vorschläge ausgearbeitet, die jedoch zum Teil nicht sehr detailreich ausfallen. Bei der Ausgestaltung steht dem Gesetzgeber also noch ein großer Spielraum offen.  

Immerhin, die Empfehlungen und der Gesetzesentwurf wurden bereits veröffentlicht (s.u.). Vor dem Hintergrund der Festlegung im Koalitionsvertrag rückt es in den Bereich des Möglichen, dass ein Gesetz noch in dieser Legislaturperiode erlassen werden könnte. Mal sehen, wie der Gesetzgeber die Entwürfe ausarbeitet und was Bundestag und Bundesrat dazu sagen. 

Wenn Sie weiterführende Fragen zum Thema Beschäftigtendatenschutz haben, zögern Sie nicht, uns anzusprechen.  

Downloads

DGB-Entwurf-eines-Beschaeftigtendatenschutzgesetzes

Ergebnisse-Beirat-Beschaeftigtendatenschutz

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